Zur Feier des sechsjährigen Geburtstages des Comic-Wildwest-Shooters «Borderlands 2» kündigten Sony und Gearbox Software im Oktober eine komplette VR-Portierung des Egoshooters an. Das ist nun Realität: Erschienen ist die VR-Neuauflage am Freitag, am 14. Dezember im PlayStation Store. Aber lohnen sich rund 60 Franken für eine VR-Portierung? Die schlechte Nachricht gleich zuerst: «Borderlands 2 VR» wird uns in der VR-Umsetzung ohne den Mehrspielermodus geliefert. Das ist grundsätzlich schade, weil gerade das Koop-Gameplay bei vielen Spielern sehr beliebt war. Ob die VR-Reinkarnation auch interessant ist für Zocker, die das Original nur flüchtig kennen, konnte ich an mir selber austesten, weil ich «Borderlands 2» erst vor wenigen Wochen ein wenig länger gespielt habe. Das habe ich nun zu berichten.
Technische Einschränkungen der PSVR-Version
Wer Egoshooter normalerweise eher auf dem PC spielt und somit kein Fan ist von taktischen und zombielastigen Konsolenschiessereien ohne Maus und Tastatur, mag in der Regel eher Mühe haben mit der Analogstick-Steuerung. Wer sich sich das Genre auf einer Spielkonsole gewohnt ist, wird mir sicher zustimmen, dass die Dreh- und Ausweichbewegungen sehr flink und feinstufig reagieren oder zumindest über das Optionsmenü die nötigen Anpassungen erlauben sollten. Tatsächlich gehört «Borderlands 2» bei mir zu einer dieser Ausnahmeerscheinungen. Hier hat das Gucken und Bewegen für mich bereits in der «Handsome Collection»-Edition der PS4 mit den beiden Sticks geschmeidig funktioniert. Nun müssen wir aber über die VR-Portierung reden, und da gibt es bei Sonys Move Controllern ein paar bekannte Hürden. Wir haben nun einmal auf den Move Controllern keine zusätzlichen Analogsticks oder Touch-Flächen, wie man sie an den Rift-Touch- und Windows-Mixed-Reality-Griffeln oder an den Trackpads der Vive Controller vorfindet. Zudem verhält sich das einfachere LED-Tracking des PSVR-Systems hardwarebedingt nicht immer so punktpräzise wie ein Roomscaling-Setup mit den Sensoren der PC-Brillen. Hier machen sich genüssliche VR-Gameplay-Unterschiede wie «Skyrim VR» auf jeden Fall deutlich bemerkbar, wenn man die damalige PSVR-Exklusiv-Geschichte noch einmal mit Roomscaling und hochpräzisem Tracking durchwandert. Mit diesem Abstrich müssen wir auch beim 180-Grad-Erfassungsbereich der PS4-Kamera leben, aber gleich vorweg: Es kommt sehr darauf an, wie man «Borderlands 2 VR» spielt.
Eine grosse Auswahl an Komfortoptionen
Bei dem Space-Western-Szenario sind aus meiner Sicht, im Rahmen der technischen Möglichkeiten, beide Steuerungsoptionen mit vielen guten Absichten umgesetzt worden, wobei ich mich stärker mit dem Bewegungsschema des Dual Shock 4 Controllers anfreunden kann und die Move-Stäbe als nette Abwechslung empfinde, um nicht immer sitzen zu müssen. Das mit den Move Controllern funktioniert ähnlich gut wie in «Skyrim VR». Man drückt auf die mittlere Taste des linken Leuchstabs und bewegt sich dann in die gewünschte Richtung, während man gleichzeitig in alle Richtungen blicken kann. Über zwei Tasten auf dem rechten Move-Controller stehen euch schnelle Richtungswechsel nach links und rechts zur Verfügung. Damit euch nicht übel wird, sind die schnellen Drehbewegungen als angenehme 45-Grad-Winkel voreingestellt. Es gibt eine Hauptauswahl zwischen Hüpfen und Bewegung und Teleport und Bewegung. Ich entscheide mich meistens für Teleport und Bewegung, weil die Hüpferei mit den Move Controllern bei mir zu Schwindelanfällen führen kann. Das Hauptproblem mit den Move Controllern: Feinde attackieren euch stets von allen möglichen Richtungen und ihr könnt gelegentlich ins Leere hüpfen oder den grösseren Feinden unwissentlich den Hintern vor den Flammenwerfer hinhalten.
Löblich: Die Entwickler haben an zahlreiche Komfortoptionen gedacht. Nebst Gehtempo (schnell/langsam) könnt ihr eure Körperhöhe, die Waffenhöhe einstellen sowie den übelkeitshemmenden «Tunnelblick» beim Gehen eindämmen respektive ausschalten und auch den Snap-Turn-Winkel anpassen. Mit den Move Controllern spielt es sich so, als ziele man händisch direkt mit Flinte oder Magnum – der Aim Controller wird übrigens nicht unterstützt. Und doch entscheide ich mich bei längeren Spielsessions meist für den Dual Shock 4 Controller und lege mich dabei auf rasche Dreh- und Gehbewegungen fest, was nicht allen VR-Mägen behagen könnte. Der Nachteil: Ohne die Move-Stäbe geht die Immersion mit den Händen leider ein wenig verloren. Trotzdem bereitet mir das Geschehen aus der Hocke mit dem Dual Shock Controller viel mehr Spass, weil man mit der Blickrichtung zielt und mit den Analogsticks viel schneller reagieren kann. Darüber hinaus kann ich auf Knopfdruck zügiger zwischen den Knarren wechseln. Ein zusätzliches VR-Waffenrad im Arm hat da nichts zu suchen, auch wenn es schön aussieht.
Dass sich «Borderlands 2 VR» weniger gut mit den Move Controllern spielt, mag auch daran liegen, dass der Klassiker schon immer auf schnelles Ausweichen und Zielen ausgelegt war, was natürlich besser mit Analogsticks funktioniert. Trotzdem hätte das Gameplay im Stehen einen Tick besser werden können: Eine Blockade ist die etwas träge Teleportation, die vor allem mit den Move Controllern in höherem Tempo ausführbar sein müsste. Das Hochbeamen in höhere Etagen erweist sich als zusätzliches Hindernis, weil manche Ebenen ungenau oder gar nicht erfasst werden. Vielleicht kann Gearbox hier noch mit einem Update nachhelfen. Aber ob das viel daran ändern würde? Man darf gespannt sein, wie sich das Ganze zu einem späteren Zeitpunkt mit vollem Roomscaling auf den PC-Brillen spielen wird.
BadAss Mega Fun Time
Eine äusserst coole Dreingabe ist die Berserker-Zeitlupen-VR-Auflockerung «BadAss Mega Fun Time» (BAMF), die in beiden Steuerungsschemen das hektische Geschehen ein wenig ausbalanciert und zweitweise zur Verfügung steht. Mittels Drücken auf die Kreistaste wird ein Zeitlupenmodus ausgelöst und ihr könnt euch einen Moment wie «Max Payne» oder «Matrix»-Neo auf eure Gegner losstürzen und für ein paar Sekunden verlangsamt ausweichen. Auf grössere Neuerungen für die virtuelle Realität müsst ihr aber verzichten. Neu wäre da höchstens noch das holografische Waffenmenü der rechten Hand, das einem nur mit den Move Controllern zur Verfügung steht. Und ja: Es gibt auch ein paar amüsante VR-Hinweise von eurem ständig nervenden Blechroboter Claptrap, der euch schon anfangs bekundet, von welchen Bewegungen euch eher schlecht werden könnte. Das bestätigt uns, wie stark sich die Entwickler mit der ganzen Überarbeitung auseinandergesetzt haben.
Looten heisst die Devise
In «Borderlands 2 VR» seid ihr sozusagen einer der letzten «Desinfektoren» des Planeten. Denn auf «Pandora» herrscht schon länger Chaos. Da war so ein Fiesling namens Handsome Jack. Er war seit jeher ein auf ganz Pandora berüchtigter Tyrann und bekannt dafür, Kammerjäger euren Schlags umzubringen. Das habt ihr bis jetzt sogar überlebt – und das ist gut so. Denn Handsome Jack ist hinter dem Rohstoff Eridium her, um sich mit dessen Hilfe die Herrschaft über den Planeten zu sichern. Damit nicht genug. Eine riesige Raumstation befindet sich schon vor dem Planeten. Also nichts wie ran und aufräumen.
Stichwort «Loot»: Die niedergemähten Zombies lassen eine Menge an verwertbaren Gegenständen liegen, die sich entweder zu Geld ummünzen oder zu diversen Waffen-Upgrades verarbeiten lassen. Alleine die schiere Auswahl an Schusseisen mit Alternativfunktionen lässt keine Wünsche offen. Die Action beginnt mit einer doppelläufigen Schrotflinte, mit der man insbesondere schwächere Zombies schnell zu explosionsartigen Eingeweide-Spaghetti verarbeiten kann. Bei weit entfernten Mutanten erweist sich die erste Feuerpistole bald als sehr hilfreich, da deren Explosionspatronen eure Widersacher gleich in Brand steckt und ihnen ordentlich Energie abzwackt. Dazu gibt es eine Menge an Rüstungs-Upgrades, die ihr ebenfalls gegen umgetauschte Materialien erwerben könnt. Und ihr müsst stärker werden, um in andere Regionen mit mächtigeren Gegnern vordringen zu können. Und, und, und. Da helfen auch verschiedene befahrbare Vehikel – «Rage» sei gegrüsst!
Grafik der PSVR-Version von Borderlands 2 VR
Aus der VR-Brille der Konsole sieht Pandora aus der Egoperspektive sehr hübsch aus. Das liegt auch daran, dass der etwas ältere Titel nicht übermässig hohe Grafikleistungen an moderne Hardware stellt. Da kann man auch über ein bisschen Kantenflimmern hinwegsehen. Das Bild wirkt vor allem auf der leistungsfähigeren PS4 Pro sehr ruhig und die Immersion in der VR ist bei mir vom ersten Moment an «angekommen». Ein paar Mankos sind mir trotzdem aufgefallen: Wie in «Skyrim VR» kommt es zu gelegentlichen Clipping-Fehlern, bei denen sich Figuren plötzlich in ein Inventarmenü reindrücken. Das passiert aber meistens nur bei sehr naher Distanz zu den Menüdialogen. Und manchmal hängen einzelne Widersacher plötzlich in der Luft, die soeben noch von einer felsigen Erhöhung auf auch zugerannt sind.
Mit der Move-Steuerung werde ich auch in einem anderen Punkt ein wenig aus der Immersion gerissen: Unabhängig von allen VR-Einstellungen fühle ich mich damit im stehenden Spielbetrieb gegenüber den Gegnern wie ein Riese mit unnatürlichen Grössenproportionen. An der PS4-Kamera kann das offenbar nicht liegen, da ich mehrmalige Neukalibrierungen vorgenommen habe und beispielsweise mit den Dual Shock Controllern weniger dieses «Goliath»-Gefühl aufkommt.
Auf mich hinterliess die VR-Inszenierung auf der Konsole aufgrund des fehlenden Mehrspielermodus keinen allzu monotonen Eindruck. Die längeren Märsche in den grossen Welten empfand ich eher als ausgleichend, denn das Treiben in der VR ist sonst schon sehr hektisch. Vorstellen kann ich mir aber durchaus, dass einige Spieler diesen Modus vermissen werden. Bis jetzt hat Gearbox noch nichts angekündigt, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Womöglich werden die Fans der kooperativen Multiplayer-Action schon in wenigen Monaten in den PC-Versionen versorgt. In diesem Fall lohnt es sich wohl, noch ein wenig zu warten.
Eine gute Nachricht zum Schluss: Abhängig davon, ob ihr auch sämtlichen Nebenaufgaben in «Borderlands 2 VR» nachgehen wollt, könnt ihr euch von 60 bis zu 100 Stunden in dem gesamten Abenteuer vergnügen. Das ist doch eine ziemlich lange Geschichte.