Test: Shadow Legend VR

Werdet selbst zum Grossmeister der Tempelritter und erkämpft euch den Weg ins Innere eines mittelalterlichen RPG-Abenteuers. Die schaurig-schöne Dungeon-Kulisse von «Shadow Legend VR» erkundet ihr in einem eher gemächlichen Tempo, während ihr euch von der dichten Atmosphäre berieseln lassen dürft. Bewaffnet mit Schwert, Bogen und allerlei Magiekräften, geht es aber trotzdem um die Wurst: nämlich darum, euer Königreich zu retten und es von der Zerstörung des mystischen Böswichts Adaroth fernzuhalten. So weit, so gut. «Shadow Legend VR» ist im Gegensatz zu «Skyrim VR» von Grund für die virtuelle Realität entwickelt worden. VitruviusVR, die Entwickler aus Kanada, liessen uns schon zwei Wochen vor der Veröffentlichung in das RPG-Abenteuer eintauchen. Zeit für ein Fazit.

Ritterbefehle mit Windows 10

Interessant an dem Spielkonzept von «Shadow Legend VR» ist übrigens der Einbezug von Cortana. Die Windows-10-Gehilfin wird mit dem Mikrofon der PC-Headsets (Rift, Vive und WMR) zum optionalen Sprachrohr. Funktioniert hat das in unserem Test sowohl auf der Oculus Rift als auch auf der HTC Vive, vorausgesetzt die Spracherkennungssprache ist unter den Windows-10-Einstellungen auf Englisch eingestellt. Ähnlich wie bei dem PSVR-Exklusivspiel «The Impatient» steht ihr manchmal vor Entscheidungen und müsst euch während der Unterhaltung mit Priestern und Dorfangehörigen für eine bestimmte Antwort entscheiden. Nachzuplappern gilt es die biblisch langen Psalm-Antworten oder zumindest die ersten paar Wörter. Falls ihr euch dabei komisch vorkommt, ist das aber kein Problem: Man kann die Antworten auch einfach antippen. Allerdings war die Erkennungsgenauigkeit damals bei «The Impatient» einen Tick besser.

Tut den frommen Schritt

Die Fortbewegung geschieht wahlweise über übliche Teleportation oder mitttels einer authentischen Richtungssteuerung. Abhängig davon, ob ihr euch schon viele oder eher wenige VR-Erlebnisse gewöhnt seid, kann die freie Fortbewegung (links) mit Viertelkreisblickrichtungen (rechts) je nach Befindlichkeit ein wenig Schwindelgefühle hervorrufen. Uns ist davon jedoch nie schlecht geworden, respektive nur gelegentlich auf der Oculus Rift, wenn wir über neue Waffen verhandeln wollten und als das Tracking mit den Händen zum frühen Testzeitpunkt noch etwas ruckelig war. Das Gehtempo ist dafür angenehm und nicht schwindelerregend. Sowohl mit den Touch-Griffeln der Oculus Rift als auch mit dem Trackpad der HTC Vive drückt ihr einfach links die gewünschte Richtung.

Was uns besonders gefällt: Waffen und Gegenstände sind aus verschiedenen Bereichen eures Körpers holografisch greifbar. So natürlich das Schwert, das man aus der Gürtelhalterung zieht. Um den Pfeilbogen zu spannen, reicht zum Einspannen der Pfeilmunition ein Griff hinter die Schulter. Schon zu Beginn des Spiels gehören auch ein mächtiges Schwert und eine Leuchtfackel zu eurem obligaten Grundarsenal. Das Hauptinventar verbirgt sich in einer wuchtigen Schutztruhe, die sich ebenfalls beim Hervorziehen vergrössert. Darin bunkert ihr eure Münzen, Schlüssel, Rubine und wichtige Items. Besonders gefällt uns an dem Menüsystem, dass es kein Menüsystem ist! Keine langen Auswahlbildschirme, nichts. Genau so und nicht anders muss das in einem VR-Abenteuer auf RPG-Basis funktionieren!

Eine bewegte Geschichte über Gut und Böse

Die Geschichte (frei von Steam übersetzt) spielt sich tausende Jahre vor unserer Zeitrechnung ab, als nebst den Göttern von Anaria nur zwei Wesen koexistierten: Da wäre zum einen der finstere Herr Adaroth und die liebliche Lady Evelyn. Beide lebten offensichtlich in einer Welt des Friedens. Evelyn war der Einsamkeit jedoch überdrüssig und fühlte sich in einer Art Zeitstarre gefangen, während der gelangweilte Adaroth, nach Dunkelheit und Chaos trachtend, in der friedvollen Leere schwelgte. Evelyn war es schliesslich, die das Licht in die dunkle Welt hineinbrachte, um Flora und Fauna wieder zum Leben zu erwecken. Sie war es auch, die ihre ganze Energie opferte, um das Reich von Anaria zu erschaffen. Adaroth hingegen fand wenig Gefallen an der ganzen Schöpfungseuphorie und war epicht darauf, mehr Chaos und Dunkelheit in die Welt zu bringen. Das erinnert ein wenig an Zelda. Den Rest kann man sich ausdenken. Die Gottheiten gerieten aneinander und konnten sich gegenseitig nicht mehr stoppen. Bis zu diesem einen Tag, an dem ihr in die Rolle eines mächtigen Tempelritters schlüpft, der, so Evelyn es will, mit den stärksten Waffen des Reichs ausgerüstet ist. Die heilige Bitte von Evelyn lautet eigentlich nur, das Reich aufzuräumen, damit wieder Friede einkehren kann.

Ausweichen will gelernt sein

Ihr beginnt euren frommen Kreuzzug in der Zeit der Tempelritter – ihr selber seid ein Grossmeister des Ordens. Zu jener Zeit, in der die Götter sich in dem heiligen Krieg befinden. Die Interaktion mit den facettenreichen Charakteren ist mit Sicherheit ein erster Hingucker. So sprecht ihr anfangs mit verschiedenen Dorfbewohnern und müsst neue Räume nach verborgenen Gegenständen absuchen, indem ihr auch eure magischen Waffen einsetzt. Immer wieder werdet ihr dabei von feindlichen Widersachern heimgesucht. Das Kampfsystem mit dem Schwert besteht im Wesentlichen aus Zuschlagen und Abblocken, um den richtigen Konterangriff abzuwarten. Das geht so lange, bis ihr die finsteren Skelettritter oder halbtoten Grufties in Zombiestücke zerhauen könnt. Aber Vorsicht: Zerhackt ist noch nicht zersäbelt.

Ungeachtet des Gliedmassenverlusts preschen die Untoten manchmal frohen Mutes wieder auf euch ein – Stichwort Brutalität: Ein bisschen blutig geht es manchmal auch zu her, jedoch nicht im Übermass, wie es der Philosoph Platon begrüssen würde, sondern wohl eher nach Aristoteles’ Erklärung der nicht-gewaltsamen Bewegung im Vakuum. Die KI der Gegner ist nicht sonderlich fordernd. Auch überlegene Feinde mit viel Energie und starken Abwehrkräften fürchten das Fegefeuer eures Zauberstaubs nicht und wehren mehrere nachfolgende Schwerthiebe nur zaghaft ab. Ihr werdet immer eine Angriffslücke finden.

Im späteren Spielverlauf gilt es auch bombenwerfende Gegner geschickt mit Pfeilen abzuwehren oder deren Bombenarsenal zur suizidalen Explosion anzupeilen. Eine Reihe mächtiger Waffen-Upgrades darf da nicht ausser Acht gelassen werden. Dazu zählt etwa ein Zauberstab mit einem zünftigen Leuchtschuss und eine mächtige Säbelaxt, die wieder zu euch zurückkehrt. Die mittelalterliche Kulisse aus riesigen gotischen Schlossmauern mit wenig Kantenflimmern versetzt uns wirklich in beste Dark-Souls-Laune. Da bleibt man auch gerne einen Moment stehen, um die schöne Aussicht aus luftiger Höhe zu bestaunen.

Das Spielkonzept besteht im Wesentlichen aus gelegentlichen Kämpfen, dem Einsammeln neuer Gegenstände und aus dem Lösen von kleinerer Puzzles. Ein bisschen wie bei Lara Croft. Einmal befindet ihr euch beispielsweise in einem riesigen Aussenbereich und müsst zwei fehlende Räder für einen grossen Zahnradmechanismus suchen, den ihr nur über zahlreiche schwebende Plattformen erreichen könnt. Nicht selten geratet ihr etwas länger ins Grübeln, bis ihr die nächste Umgebung beschreiten könnt, mag es auch nur daran liegen, dass ihr einen bestimmten Gegenstand noch nicht gesichtet habt, der die längste Zeit auf dem Boden lag. An Abwechslung fehlt es trotz allem nicht. Physisch mit euren Händen interagieren könnt ihr sogar mit herumstreunenden Hunden oder mit dem lieben Hofpferd, das auf eure Streicheleinheiten wartet. Prozedural generiert sind die Räume aber nicht: Ihr werdet immer wieder am letzten Spielort wiedergeboren und die bereits erledigten Gegner sind Geschichte. Allerdings gibt es stets neue Waffen wie einen mächtigen Magierstab, ein feuriges Schwert und eine böse Wumme mit faustdicken Granaten. Runenrätsel, bei denen ihr wie Gandalf vor einer verschlossenen Türe steht und ein Lösungswort aussprechen müsst, sorgen für weitere Abwechslung.

Disclaimer:
Wir haben «Shadow Legends VR» noch nicht ganz durchgespielt, jedoch gut vier Stunden in dem Epos zugebracht. Bis auf ein paar vereinzelte Ladefehler, die wir den Entwicklern gemeldet haben und schon gefixt sein dürften, ist das Spiel, angesichts der kleinen Machertruppe,  hinsichtlich Content, Grafik und Mechanik ein grosses Meisterwerk. Gemessen an den vielen verfügbaren Waffen, werden möglicherweise insgesamt gut vier bis sechs Spielstunden an der Tagesordnung stehen.

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