Valve Index im Test

Nach gut einem Monat Verspätung hat inzwischen auch unsere Redaktion ein Testgerät von der Valve Index erhalten. Nach wie vor sind das Steam-eigene VR-Headset und das Zubehör nicht offiziell in der Schweiz verfügbar. Doch was kann die High-End-VR-Brille und wie schneidet sie im Vergleich zu den anderen Headsets ab? Wir haben die Index und die neuen Knuckles Controller eine Woche lang ausführlich getestet. Daneben haben wir auch geprüft, wie weit man mit einem zünftigen Rechner die Grafikleistung nach oben schrauben kann. Ob wir die Index nur gut betuchten VR-Enthusiasten empfehlen können, lest ihr hier.

Im Steam Store erhältlich sind auch die neuen Lighthouse Base Stations. Wer schon die Basissstationen der Vive hat, braucht sie nicht unbedingt. (Bild: Valve)

Teure Angelegenheit

Drei Jahre lang war die HTC Vive für die Steam-VR-Plattform das Referenz-Headset. Nun hat Valve selber ein erstes VR-Headset auf den Markt gebracht. Es bedient sich desselben punktgenauen Trackingsystems der Lighthouse-Basisstationen, die ihr an der Wand oder mit Stativen anbringen müsst. Die verbauten Laser scannen mehrmals pro Sekunde den Raum und verorten über winzige Sensoren eure Controller und das Headset. Im Gegensatz zur HTC Vive, die man damals schon zum Launch auch in die Schweiz bestellen konnte, ist es nicht so einfach, an das VR-Produkt des Steam-Plattform-Betreibers heranzukommen, weil es hierzulande noch nicht bestellbar ist. Allerdings: Nicht nur die Schweiz hat man leider vergessen. Auch VR-Fans aus Kanada und Australien sowie anderer Länder kucken derzeit in die Röhre und konnten nicht vorbestellen. Wie ihr euch trotzdem eine Valve Index in die Schweiz bestellen könnt, verraten wir euch am Schluss des Tests.


Beim Einrichten muss zuerst die Firmware der Controller initialisiert werden. (Bild: Simon Gröflin)

Nach wie vor werden zwei verschiedene Pakete angeboten: So enthält das Valve Index VR Kit das VR-Headset, Controller und zwei Basistationen 2.0 und kostet schlappe 1079 Euro (rund 1180 Franken). Ich habe mir das Valve Index Headset und die Controller für 799 Euro (874 Franken) bestellt. Einzeln erwerben kann man aber auch die Brille (für 539 Euro bzw. 590 Franken), die Controller (für 299 Euro bzw. 327 Franken) und die Basisstation 2.0 (für 159 Euro bzw. 173 Franken).

Freude schöner Verpackungskünste

Bislang dachten wir immer, Oculus habe das Verpackungs-Marketing im Griff. Aber auch Valve hat verstanden, wie man VR-Enthusiasten abholt. Hat man sich das Set mit den Valve Knuckles Controllern und der Brille bestellt, findet man beim Abheben der beiden Kartonabdeckungen eine sehr wertige Präsentation vor. Stylish: Die Hardware in der schwarzen Kartonschachtel zeigt nach oben und ist mit zwei «Hello Worlds»-Stickern versehen. Angeschlossen wird die Valve Index lediglich über einen DisplayPort, einen USB-3.0-Anschluss und ein modulares Power-Kabel mit einer Art Klinkenhülse. Ihr benötigt übrigens nicht unbedingt die zweite Generation der Lighthouse Base Stations, die Valve im Store anbietet. Diese ermöglichen vor allem ein erweitertes Tracking auf bis zu 10 × 10 m. Wenn ihr nicht gerade eine Loft habt und schon eine HTC Vive besitzt, könnt ihr natürlich problemlos auf die bisherigen Laser-Trackingsysteme zurückgreifen.


Das Set mit der Valve Index und den Knuckles Controllern, das bei uns eingetroffen ist. (Bild: Simon Gröflin)

Durchdachtes Tragekonzept

Stichwort: Tragekomfort. Die Valve Index mit der frontseitigen schwarzen Plastikabdeckung ist bequem und ein wenig dem Konzept einer Vive Pro und einer PSVR nachempfunden. Sehr praktisch auch für Brillenträger: Ihr könnt den vorderen Part des Head-Mounted Displays jederzeit nach oben klappen. Beim Befestigen des Headsets hilft wie bei der PSVR und einigen Windows-Mixed-Reality-Brillen eine rückseitige Stellschraube. Von innen ist auch alles dicht und gut gepolstert.


Praktisch, ihr könnt bei der Valve Index den vorderen Teil nach oben klappen. (Bild: Simon Gröflin)

Was wir sehr genial finden: Nicht nur existiert ein sogenanntes IPD, um den Augenabstand physisch einzustellen, sondern auch die Möglichkeit, die Linsen von innen nach aussen zu verstellen. Wenn ihr eine Brille trägt, solltet ihr, um keine Kratzer zu riskieren, zuerst über die seitlichen Drehknöpfe die Linsen nach vorne verlagern. Praktisch: Sobald ihr das Headset aufgesetzt habt, könnt ihr dann die Displays sehr nahe an eure Augen drehen, was euch ein optimales Sichtfeld ermöglicht.

Auflösung und Sichtfeld

Technisch ist die High-End-VR-Brille der ersten PC-VR-Generation in einigen Aspekten überlegen. Die zwei RGB-LCDs des VR-Headsets lösen mit je 1440 × 1600 Pixeln auf. Die Vive und Rift der ersten Garde brachten es pro Auge auf  je 1080 × 1200 Bildpunkte. Das reduziert nicht nur den Fliegengittereffekt, sondern führt auch zu einer besseren Schärfe. Allerdings ist bei Valve von LCD und nicht von OLED die Rede.

Wer schon einmal mit der Vive Pro unterwegs war, wird im Vergleich dennoch Unterschiede bemerken. So habe ich beispielsweise das Gefühl, als werden Schriften in Menüs und Lichtartefakte mit einer Vive Pro schärfer und farbechter dargestellt. In den Spielen dagegen stört es mich weniger, ohne OLED auszukommen. Der Fliegengittereffekt ist auch hier kaum präsent. Das LCD der einfacheren Windows-Mixed-Reality-Brillen verhält sich dagegen bei Farben wesentlich blasser.


Die Linsen der Valve Index sind von guter Qualität, die «Godrays» müssten aber nicht sein. (Bild: Valve)

Schlaues Linsenkonzept mit Macken

Dank der zweiteiligen Linse und der optimalen Position vor den Augen erreicht man mit der Valve Index ein um bis zu 20 Grad grösseres Sichtfeld als bei der HTC Vive und Oculus Rift. Trotz all dieser technischen Finessen hat mich im Test zahlreicher Spiele eine Sache doch sehr gestört: Die unsäglichen «Godrays» (Lichtschimmer) sind wieder zurück! Und sie sind teilweise sehr störend, obwohl alles beim Headset sehr gut abdichtet und nirgends Licht eindringt. Man merkt es vor allem, wenn man den Kopf nach oben und nach unten neigt. Dann legt sich ein feiner Lichtschimmer um die Linsenränder. Das müsste wirklich nicht sein!

Höhere Bildwiederholfrequenz, aber merkt man das?

Wie bei der Vive Pro nimmt man in den normalen Spielesettings die schärfere Auflösung der Displays nur bei nahen Texturen wahr, nicht aber unbedingt bei weit entfernten Objekten. Jedoch: Ihr könnt bei der Valve Index sogar die Bildwiederholrate nach oben schrauben. Wenn ihr bislang bei anderen VR-Brillen mit 90 Hz gezockt habt, offeriert der Steam-VR-Launcher nun eine Option, um auf 120 Hz oder gar auf 144 Hz hochschalten zu können.


In dieser Szene bei «Shadow Legend VR» war für mich der 144-Hz-Mode deutlich wahrnehmbar. (Bild: Steam Store)

Vorausgesetzt, ihr habt einen schnellen Grafikbeschleuniger wie eine Nvidia GeForce RTX 2080 Ti/Super, könnt ihr sogar problemlos auf bis zu 144 Hz gehen und selbst dann noch In-Game-Settings hochleveln. Kam es beispielsweise zuvor in Spielen mit sehr vielen Gegnern und Umgebungsdetails zu vereinzelten Bildrucklern, können solche Aussetzer nach dem Anheben der Bildwiederholrate beseitigt sein. Auch in sehr dicht texturierten Spielen wie «Shadow Legend VR» machen sich insgesamt weichere Animationen und weniger Texturflackern bemerkbar, wo ich es im Vergleich zu einfacherer Grafikkost am deutlichsten wahrgenommen habe.

Gutes Audioheadset

Erfreulich gut geraten sind die ausklappbaren Audiobügel. Speziell: Diese liegen euch nicht auf den Ohren, sondern erschallen ein paar Zentimeter vor eurem Gehör. So habt ihr in der VR sogar die Ohren frei und werdet dennoch gut beschallt. Zwar sind die Positionierungsmöglichkeiten der Audiobügel nicht ganz so vielseitig wie bei der Vive Pro, aber ihr könnt die beiden speziellen Kopfhörer mit Nahfeld-Flachlautsprechern beliebig nach vorne und nach hinten bewegen oder auch weiter nach oben drücken. Das Klangbild ist gut ausbalanciert. Auch die Basslevels überzeugen mehr als bei der Vive Pro. Dafür überdröhnen die Mitten ein wenig mehr als bei der Rift.


Das Audioheadset (rechts) ist von sehr guter Qualität. (Bild: Valve)

Noch wenig Support für die Valve Knuckles Controller

Bei der Valve Index könnt ihr auch die neuen Knuckles Controller dazubestellen. Dabei handelt es sich quasi um eine hauseigene Weiterentwicklung der Vive Controller. Was ist anders? Rein physisch erinnert die neue Steuerungshardware stärker an die Oculus Touch Controller. Ihr schlüpft über zwei Schlaufen in die halbmondförmigen Steuerungsstäbe, die rückseitig mit je einem Trigger-Button bestückt sind.

Wie bei Oculus Touch und Windows Mixed Reality gibt es links und rechts zwei Analogsticks, wohingegen bei den alten Standard-Controllern der HTC Vive die Richtungsbewegung einzig und allein über die grossflächigen Touchpads erfolgt. Zwei längliche Mini-Touchpads sind an der Oberseite nach wie vor vorhanden. Weiter findet man in deren Nähe zwei Taster und einen kleinen Menüknopf vor, der wohl absichtlich etwas tiefer verankert wurde, damit man ihn nicht versehentlich betätigt.

So schlüpft man in die Valve Knuckles Controller. (Bild: Valve)

Die zwei innenseitigen Halterungsbänder verhindern ein Abrutschen, was sich sehr natürlich und leicht anfühlt, als haltet ihr praktisch nichts in den Händen. Alles in allem ist die neue Steuerungsperipherie sehr hochwertig verarbeitet. An den rückseitigen Trigger-Buttons hätte man noch etwas mehr arbeiten können: Diese klicken zu laut und weisen einen zu geringen Tasten-Hub auf. Gestört daran haben wir uns beispielsweise beim Baller-Blödel-Spiel «Serious Sam: The Last Hope», bei dem ihr mit beiden Händen tonnenweise Gegner niedermäht. Da weicht man schnell auf die bewährten Vive Controller aus, wobei dieses Spiel wirklich eine Ausnahme war.

Fünf Finger

Das eigentliche USP ist das ausgeklügelte Fingertracking. Über seitliche Sensoren an den Stäben werden sowohl alle Finger als auch der Daumen erfasst. So könnt ihr die Hand beispielsweise zu einer Faust ballen oder einzelne Finger ganz natürlich ausstrecken. Eindrücklich ist die «Aperture Lab»-Demo, bei der euch gezeigt wird, wie ihr nun auch Handshakes ausführen und mit den einzelnen Fingern verschiedene Drucke ausüben könnt. Wir konnten auch viele ältere Titel, bei welchen die Steuerung übersetzt wurde, problemlos mit den Index Controllern spielen. Der Support ist trotz der wenigen entwicklerseitigen Neu-Implemationen bei den Klassikern wirklich schon gross. Etwas umständlich: Will man zwischendurch zu den klassischen Vive Wands wechseln, müssen diese vor dem Start jedes Mal neu gekoppelt werden.


So tracken die Sensoren an den Knuckles Controllern. (Bild: zVg)

Besonders Spass hatten wir an dem Index-optimierten Zombieshooter «Arizona Sunshine», bei welchem ihr jetzt die Waffen sehr natürlich mit geballten Fäusten greift. Bei Googles «Tilt Brush» hinwieder hatten wir den Eindruck, als sei nur die Steuerung von der Oculus Touch übernommen worden. Es war vorher sogar einfacher, die virtuellen Malpaletten über die Touchpads der Vive Controller bedienen zu können. Zu einer der bisher wenigen Ausnahmeerscheinungen mit Gestensteuerung unter Einbezug sinnvoller Button-Belegung gehört «Vertigo 2». In der Demo des Comic-Alien-Shooters ergattert ihr auch Utensilien wie Reanimationsspritzen, die ihr euch an den Arm halten müsst. Bleibt zu hoffen, dass es bald noch mehr Spiele gibt, die das Potenzial der filigranen Bewegungserfassung ausschöpfen werden.

Valve Index in die Schweiz liefern lassen

Wer unbedingt die Valve Hardware in der Schweiz bestellen will, hat eigentlich im Moment fast keine andere Wahl, als den Steam Store umzustellen und sich das Paket über eine deutsche Lieferadresse zustellen zu lassen. Valve macht es aber den Nutzern anderer Länder nicht ganz einfach, sich von einem Tag auf den anderen als deutscher User auszugeben. Ihr müsst beispielsweise auch mit einer deutschen IP (über einen VPN-Dienst) eingeloggt sein und dürft eine Zeit lang nichts in einer anderen Währung bestellt haben. Allenfalls hilft euch eine Guthabenkarte wie Paysafe Card, um Euro-Guthaben aufzuladen. Die andere Möglichkeit kann darin bestehen, zu warten, bis es einen offiziellen Reseller bzw. Onlineshop gibt, der die Valve Index anbieten kann. Allerdings sind da bislang keine Anzeichen in Sicht.

Fazit

Fazit
80 100 0 1
Die Valve Index ist ein gutes VR-Upgrade für Vielspieler und High-End-Fanatiker. Ein teures Nischenprodukt bleibt die Brille für Anwender, die zum ersten Mal in die virtuelle Realität abtauchen wollen und eher selten spielen. Sehr gestört haben uns die vielen Lichtschimmer (Godrays) der Linsen. Aber insgesamt ist das Paket stimmig. Wenn ihr von einer früheren Generation umsteigt, solltet ihr eine Top-Grafikkarte haben. So kommt ihr nicht nur in den Genuss der höheren Bildfrequenz, sondern werdet auch mehr Details in Spielen zuschalten können. Dadurch wirkt auch alles noch weniger verwaschen und die schärferen Linsen tragen unter diesen Aspekten definitiv zu einer besseren Optik bei.
Die Valve Index ist ein gutes VR-Upgrade für Vielspieler und High-End-Fanatiker. Ein teures Nischenprodukt bleibt die Brille für Anwender, die zum ersten Mal in die virtuelle Realität abtauchen wollen und eher selten spielen. Sehr gestört haben uns die vielen Lichtschimmer (Godrays) der Linsen. Aber insgesamt ist das Paket stimmig. Wenn ihr von einer früheren Generation umsteigt, solltet ihr eine Top-Grafikkarte haben. So kommt ihr nicht nur in den Genuss der höheren Bildfrequenz, sondern werdet auch mehr Details in Spielen zuschalten können. Dadurch wirkt auch alles noch weniger verwaschen und die schärferen Linsen tragen unter diesen Aspekten definitiv zu einer besseren Optik bei.
80/100
Gesamtpunktzahl

PRO

  • Verarbeitung: guter Tragekomfort und für Brillenträger geeignet
  • Qualitativ gute Audioheadsets
  • Verstellbare Linsen (nach innen und aussen)

CONTRA

  • Störende Lichtschimmer-Effekte an den Linsen
  • Noch wenig Support für den Knuckles Controller
Schreibe einen Kommentar
Verwandte Beiträge
DE