Die sechskantigen 3D-Sound-Ohrenstöpsel der rund 450 Franken teuren iSine 10 erinnern optisch eher an das klunkerige Seher-Artefakt der Protogonistin aus «Horizon Zero Dawn» als an konventionelle In-Ear-Kopfhörer. Überzeugen sollen die magnetostatischen Gehilfen des kalifornischen Unternehmens mit audiophilen Eigenschaften, die perfekt für die räumliche Illusion in der VR geschaffen sein sollen. Der US-Hersteller Audeze verspricht jedenfalls einiges an Technik. Und man merkt gleich beim erstmaligen Anprobieren, dass selbst bessere Sennheiser-Ohrenstöpsel vom Flughafen-Kiosk nie und nimmer vergleichbare Klangqualitäten bieten.
Der menschliche Gehörsinn ist zwar nicht so gut wie der von Hunden oder Katzen, war aber schon in der Steinzeit so ausgeprägt, dass wir jedes Rascheln und Knacken aus dem Busch ganz genau wahrnehmen. Sonst wären wir damals schon längst von Mammuts überrannt worden. Daher müssen Membrane von Ohrhörern äusserst empfindlich konstruiert sein, damit auch schwache Pegel noch gehört werden. Allerdings hat man bei In-Ears nur ein Problem: Ohne zusätzliche Bassverstärkung mit geräuschunterdrückenden Mikrofonen, wie man sie in High-End-Ohrmuscheln vorfindet, hat man einfach zu wenig Bass. Ein Trugschluss?
Warum In-Ears für die VR?
Das Prinzip ist nicht neu: Im Gegensatz zu planaren Kopfhörern mit Schwingspulen kommen bei Audeze leitende Folien zum Einsatz. Den Schallwandler verbaut man direkt unterhalb der speziellen, leitenden Folien. Es gibt aber einen Grund, warum Audeze sich für ein belüftetes, halboffenes Design entschieden hat, denn mit geschlossenen Systemen und völlig abgeblockten Geräuschen aus der Realität können VR-Spieler manchmal sogar im Sitzen die Orientierung verlieren. Ein einhüllendes 360-Grad-Sounderlebnis will Audeze trotzdem versprechen, weil die Umgebungsgeräusche immer noch leicht gedämpft zu den Ohren gelangen.
Lieferumfang
Praktisch: Die beiden einzeln abgestimmten In-Ears kommen mit zwei stabilisierenden Gummi-Bügeln, die man sich wie bei einer Brille über die Ohren legt. Dadurch wirken die iSine VR zumindest für mich wie echte In-Ears und nicht wie Apples Airpods, bei denen noch sowas wie ein halbes Ohrenstäbchen aus den Lauschern ragt. Nicht an Bord ist bei der VR-Edition der iSine 10 ein zusätzlicher Klinke- oder Lightning-Adapter für Smartphones. Stattdessen im Set enthalten sind jedoch zwei Konnektoren für die Oculus Rift. Die kalifornischen Audiophilenhörer werden dort direkt über die beiden proprietären Anschlüsse angedockt.
Nicht minder simpel klappt die Einrichtung bei einer HTC Vive oder PSVR über den Standard-3,5-mm-Anschluss. Man muss also auch bei der HTC Vive nichts auseinandernehmen. Die Anschlusskabel lassen sich ganz einfach an den Hörergehäusen über eine Steckverbindung anstöpseln. Abgerundet wird der Lieferumfang mit einem hübschen Transporttäschchen und Klettbändern fürs Büscheln der Kabel. Mehrere Gummipfropfen zum Auswechseln abgenutzter Earbuds sind natürlich auch dabei und sogar ein zusätzliches Kärtchen mit der Unterschrift eines Mitarbeiters, der den kompletten Inhalt und die Qualitätskontrolle bescheinigt.
Der Tragekomfort
Zusammen mit den passenden iSine-Bügeln sitzen die beiden Gehäuse (je ca. 12 Gramm) erstaunlich angenehm in den Ohren. Trotzdem hätte man ein längeres Klinkenkabel beilegen sollen. Das mitgelieferte Kabel ist nur 1,5 Meter lang. So mache ich mir im stehenden Spielbetrieb bei meiner Körpergrösse (185 cm) immer wieder Sorgen darüber, dass das Anschlussböxchen der PSVR leicht in der Luft hängt. Ob das langfristig den Signalkabeln des VR-Headsets gut tut?
Trotzdem geniesse ich diese Art von Freiheit auf einmal. Obwohl ich kein Fan von In-Ears bin, sind mir mit ohrumschliessenden Kopfhörern tatsächlich auch schon ein paar VR-Unfälle passiert. Hat man beispielsweise die PlayStation VR aufgesetzt und bassstarke Ohrhörer wie Boses QuietComfort 35 oder Sonys PS4-Platinum-Headset, muss man manchmal ein wenig darauf achten, wie man den Audiobügel anhat. Erschrickt man nämlich auf einmal ein bisschen in einem Horror-Adventure wie «Resident Evil 7», wenn man ruckartig nach oben blickt, kann einem die PSVR unter Umständen wegen des «Zieh-Effekt» durch die eingespannten Hörmuscheln auf einmal stärker in den Augenbereich drücken und ihr müsst die alles jedes Mal neu richten. Ausserdem «vergisst» man manchmal beim Abziehen schlicht und einfach den Kopfhörer. Abhängig von der Bodenbeschaffenheit, kann ein solcher Aufprall die Lebenszeit teurer Audiohardware drastisch verringern.
Der Klang
Die Mitten und Höhen sind bei den iSine VR sehr ausgeglichen. Überaus differenziert ist die Basswahrnehmung. In «Heart of The Emberstone» auf der HTC Vive fühlt man sich bei den telekinetischen Manövern der Magnethandschuhe auf einmal wie ein magischer Pfundskerl, wobei auch sehr knallige Wummengeräusche aus Wave Shootern wie «ARKTIKA.1» mit ordentlichem Tiefgang in die Gehörgänge gehen. Hier überrascht vor allem die bassstarke Abstimmung des iSine VR 10. In «Skyrim VR» kommt der Surround-Klang sehr gut rüber. Man hört jedes Rascheln und Stimmen aus der Ferne sehr genau. Jedenfalls sind die iSine nahe an der Klangqualität eines geschlossenen Bose-Kopfhörers mit geräuschunterdrückenden Mikrofonen. Die Ohrenstöpsel sind dadurch auch gut für längere Reisen geeignet, wenn man beispielsweise nur Musik hören möchte oder, wie ich, die Gear VR manchmal im Koffer dabeihat, um selbst im Hotelzimmer ein bisschen VR zu spielen.
Technische Daten
- Treiber: planar-magnetisch, halb-offen
- Treibergrösse: 30 mm
- Magnettyp: Neodym
- Maximale Eingangs-Leistung: 3 W
- Maximale Ausgangsleistung SPL: <120 dB
- Frequenzgang: 10 Hz – 50kHz
- THD: <0,1% @ 100db
- Impedanz: 16 Ohm
Das Testgerät wurde mir freundlicherweise vom Audiofachgeschäft k55.ch zur Verfügung gestellt.