Etwas sehr Aussergewöhnliches hat ursprünglich als Forschungsprojekt an einer Schweizer Uni begonnen. Es handelt sich um einen Katzensimulator – ja richtig gehört. Ihr schlüpft in die Perspektive einer Hauskatze und müsst dabei verschiedene Dinge erledigen, die Hauskatzen eben so im Alltag tun, wie beispielsweise Dinge vom Tisch werfen oder euch in Kartonschachteln setzen, um Bonuspunkte zu erlangen. Wir haben uns mit der Game Designerin Janina Woods unterhalten.
Janina, du hast ja Game Design an der ZHDK studiert und dich seit der ersten Oculus-Entwicklerbrille (DK1) als Gameentwicklerin immer stärker in Richtung VR spezialisiert. Zu dieser Zeit hast du ja auch ein VR-/AR-Studio namens «Ateo» gegründet, warst einige Jahre bei einem ETH-Spin-Off «Inspacion» an Board, das VR-Tools im B2B-Bereich entwickelt. Was hat dich eigentlich dazu bewegt, schon früh Tools und Spiele für die virtuelle Realität zu entwickeln?
Virtual Reality faszinierte mich von Anfang an, da es ein komplett neues Medium ist. Es ist ein bisschen, als könnte man von Anfang an dabei sein – zum ersten Mal bunte Videos drehen, als der Farbfilm erfunden worden ist. Alles Neuland, noch nichts erforscht, alles super spannend. Natürlich ist die Technologie mittlerweile eher etabliert, aber dennoch kommt jedes Jahr neue Hardware heraus und es werden neue Techniken gefunden. So zum Beispiel auch der Katzensimulator, welcher dem Spieler eine ganz neue Perspektive gibt.
Janina Woods hat an der Zürcher Hochschule der Künste studiert und entwickelt Apps und interaktive Inhalte für Unternehmen und Aussteller.
Ich konnte an der letzten «Ludicious» quasi unter Embargo schon einige Szenen der weltweit ersten Haustiersimulation «SimbaVR» austesten. In der Simulation befindet man sich wirklich in der Rolle einer Katze. Dabei muss man, was speziell ist, die virtuelle Welt einer Stubenumgebung beschreiten, um gewisse Aufgaben zu erledigen. Und das mit der Perspektive aus Katzensicht funktioniert erstaunlich gut: Man kennt das auch aus Anwendungen wie der «Ikea VR Experience», bei der man, was ich sehr cool finde, die Perspektive als Kind einnehmen kann, um eine Vorstellung davon zu haben, wie neue Möbel auf Kinder wirken. Wie seid ihr eigentlich auf einen Katzensimulator gekommen?
Das Ganze hat als Experiment angefangen, um das Verhalten von Löwen im Rudel zu untersuchen. Wie du richtig erkannt hast, bietet VR uns die Möglichkeiten, in ganz neue Rollen zu schlüpfen. In Games kann man so zum Beispiel schon als Riese oder kleine Maus herumlaufen. Warum also nicht auch als Löwe? Mich interessieren «ernste» Anwendungen von VR sehr, wie beispielsweise «Serious Games for Rehabilitation»: Auf den Katzensimulator sind wir dann mehr aus Zufall gekommen. Da wir jetzt alle im Homeoffice arbeiten, stellte sich heraus, dass sich das Experiment auch super eignet um den Stubentiger zu Hause zu simulieren.
Erzähl uns mehr über den Inhalt des Spiels und die Hauptaufgaben der virtuellen Hauskatze.
Im Kern ist der Katzensimulator immer noch eine Nachbildung und Erforschung des Verhaltens von Katzen, nun einfach im Haus und nicht mehr in der Savanne. Als Game Designer konnte ich es nicht sein lassen, das Ganze durch Spielelemente zu ergänzen. Diese motivieren den Spieler, das Verhalten der Katze nachzuspielen. Je genauer man sich wie eine Katze verhält, desto mehr Punkte gibt es. So muss man zum Beispiel Gegenstände von einem Tisch werfen oder sich in einer Kartonschachtel verstecken. Dadurch dass man so klein ist, wirkt die Schachtel wie ein kleines Haus. Da versteht man schon eher, wieso die Katze so gerne drinsitzt. Natürlich gibt es Bonuspunkte, wenn man auch versteckte Katzenverhaltensmuster einhält. Zum Beispiel gibt es keinen Hinweis am Sofa kratzen zu müssen, aber es trotzdem zu tun, gibt viele Punkte. Das Ganze kann der eigenen Katze aber auch helfen. Wir wollen es ermöglichen, dass die eigene Wohnung im Katzensimulator nachgebaut werden kann. So können Spieler vielleicht erkennen, dass es wenig interessante Stelle in der Wohnung für die eigene Katze gibt und so dem Tier im echten Leben mehr Abwechslung mit neuen Spielsachen geben können.
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Nochmal zurück zur Katzenperspektive in der virtuellen Realität: Die Perspektive aus allen Vieren funktioniert ja aufgrund der Bewegungserfassung (Gyro- und Kamerasensoren) an den Headsets erstaunlich gut, auch wenn die Beine auf gängigen Systemen für zuhause nicht direkt von einem Trackingsystem erfasst werden. Kriechelemente werden bislang erstaunlich wenig in VR-Spielen genutzt. Warum habt ihr euch permanent für diese Perspektive entschieden? Das kann auf die Dauer auch etwas anstrengend sein?
Diese permanente Perspektive trägt natürlich zur Immersion bei. Ich teste das Spiel allerdings momentan nur mit einer Decke am Boden um die Knie zu schonen. Wahrscheinlich werden wir empfehlen Knieschoner zu tragen. Allerdings liegen Katzen auch viel rum oder sitzen und starren aus dem Fenster. Da werden die Knie etwas entlastet.
Ich hatte ja inzwischen die Gelegenheit, «Simba VR» auch auf anderen VR Headsets auszutesten. Unter anderem habe ich es auch auf der Hightech-VR-Brille Pimax 8KX mit zwei 4K-Displays und dem viel grösseren Sichtfeld von 200 Grad getestet. Dabei wurde mir bewusst, dass Katzen ja ein viel breiteres Sichtfeld haben: Menschen können mit ihren Augen etwa 180 Grad auf einmal überblicken, die Katze aber sieht 200 bis 220 Grad, ohne ihren Kopf bewegen zu müssen. Wie denkt ihr, könnt ihr das noch realer rüberbringen, damit ich als Mensch sogar noch etwa 20 Grad mehr sehen kann?
Wir sind dabei verschiedene Fischaugeneffekte zu testen um an dieses Blickfeld so nah wie möglich heranzukommen. Dabei steht aber immer der Komfort des Spielers im Vorfeld. Es ist uns wichtiger, dass man den Simulator länger spielen kann und dafür werden wir wohl ein paar Grad opfern. Im Löwensimulator hingegen, wo es hauptsächlich um die Forschung geht, wird das Blickfeld genauer simuliert. Ganz ehrlich, wenn man das so länger spielt, kommt einem die eigene Perspektive richtig eng vor.
Die Valve Knuckles ermöglichen bei dem Katzensimulator «Simba VR» ein präzises Kraulen und Kratzen.
Sind auch schon Kooperationen mit Schweizer VR-Arenen geplant, in denen Full Body Tracking mit mehr Sensoren an Beinen und Armen möglich wird? HTC hat ja soeben einen Facial Tracker herausgebracht. Mit dem Zubehör können Nutzer ihre Mimik in die VR übertragen. Das könnte ja bei kooperativen Revierkämpfen ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Der Simulator eignet sich sehr gut für Multiplayer. Das Löwenrudel haben wir schon simuliert (was von aussen sehr lustig ausgesehen hat), warum also nicht auch ein paar Katzen, die sich im Garten treffen? Hier stellt sich allerdings die Frage, wie hier Multiplayer aussehen kann. Löwen kooperieren, aber Hauskatzen sind eher Einzelgänger. Da man sich auf den Knien nicht so schnell fortbewegen kann. wären langsamere, kooperative Spielziele besser … Aber die Katzen machen uns da, wie so oft, einen Strich durch die Rechnung. Natürlich ist es sehr spassig, andere Spieler anzufauchen, also wir arbeiten daran; aber der Singleplayer steht zuerst einmal im Fokus.
Der Facial Tracker für HTC Vive ermöglicht 38 Gesichtsbewegungen. (Screenshot: Mike VRO/Twitter)
Die empfindlichen Katzenpfoten sind auch für die Temperaturregelung und für das Wahrnehmen von Vibrationen, Schmerz und anderen Reizen zuständig. Bei den Valve Knuckles der Valve Index kann ich ja sogar Krallbewegungen ausführen, zumal die Finger an der Unterseite getrackt werden. Sony hat in den letzten Tagen bereits seinen VR Controller für die PSVR 2 vorab enthüllt. Habt ihr schon ein Entwicklerkit der PSVR 2 erhalten und seht ihr da neue Möglichkeiten?
Zuerst haben wir das Ganze im Labor mit Custom Controllern getestet, was für die wissenschaftlichen Experimente gut funktioniert hat, aber für den Simulator als Game natürlich nicht mehr funktioniert. Da man mit den Hängen über den Boden läuft, sind kleinere Controller mit besserem Fingertracking genau wie der neue PSVR 2 Controller natürlich ideal. Dadurch können Aktionen wie das Kratzen viel besser durchgeführt werden. Aber auch das haptische Feedback, wenn man die Hand/Pfote zum Beispiel auf kalte Alufolie stellt, ist sehr wertvoll. Erst so kann man wirklich nachvollziehen, was in der Katze vorgeht, und das ist ja das Ziel der Simulation. Wir testen neue Controller wie den der PSVR 2 und andere immer so schnell es geht.
Wann soll «Simba VR» für die Oculus Quest 2 und alle gängigen PC-VR-Headsets rauskommen?
Wir sind noch mitten in der Entwicklung. Vor allem der Zimmer-Editor und das Design des Gameplays sind wohl leider noch lange nicht fertig. Wir hoffen, den Simulator auf Anfang 2022 herausbringen zu können und streben momentan den 22. 2. an (der 22. 2. ist in Japan «Neko no Hi» – Tag der Katze).
Bis «Simba VR» erscheint, dauert es also noch eine ganze Weile. Sogar die Kollegen bei Games.ch haben unser Interview aufgenommen – vielen Dank! Um die Zeit zu überbrücken, hat das Schweizer Gaming-Portal für Katzen-Fans eine ganze Sammlung von Spielen zusammengestellt, in denen unsere beliebten Vierbeiner populäre Haupt- und Nebenrollen übernehmen.