HP Reverb G2 im Test

HP und Valve haben gemeinsame Sache gemacht und zusammen ein VR-Headset entwickelt, das gleich mit mehreren Komponenten der Valve Index (Test) punkten kann. Wie bei der Highend-Brille sind die offenen Spatial-Sound-Ohrhörer inbegriffen, die quasi über den Ohren schweben und einen eindrucksvollen 3D-Sound von sich geben. Auch bei der Linsentechnik hat der Steam-Konzern Hand angelegt und beim Kalibrieren mitgeholfen. Das Alleinstellungsmerkmal des 700-Franken-Headsets mit integriertem Tracking ist aber das extrascharfe Bild — bei einer Auflösung von 2160 × 2160 Pixeln pro Auge. Gleich vorweg: Das Bild, die Farben und der Komfort bei der G2 sind auf sehr hohem Niveau! Oder anders gesagt: Manchmal sind es eben mehrere Faktoren, die ein gutes VR-Erlebnis ermöglichen.

Viele Pixel für Enduser

HPs VR-Brille greift mit seinen zwei 2K-LED-Dispays auf die Auflösung des Vorgängers zurück. Erstaunlich: Auch gegenüber höherpreisigen High-End-Brillen wie der Pimax 8K Plus und 8KX ist die visuelle Wahrnehmung sehr scharf. Fliegengittereffekte sind wie bei einer Pimax 8K Plus praktisch nicht präsent. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch im direkten Vergleich mit der Cosmos Elite ab, aber auch im Vergleich mit der Oculus Quest 2 im PC-Streaming- bzw. Oculus-Link-Modus. Besonders eindrücklich: Wenn man sich bei einem Spiel wie «Half Life: Alyx» das Hand-Implantat aus der Nähe betrachtet oder in schummrigen Umgebungen an Mutanten vorbeikriecht, wird deutlich, wie scharf, hell und kontrastreich das Geschehen zur Geltung kommt, da das Headset über einen sehr guten Fokusbereich verfügt.

Grosser Fokusbereich, kein grosser Augenabstand möglich

Ausserdem hat die Reverb G2 einen mechanischen IPD-Regler spendiert bekommen: Ein kleiner Luxus, der bei früheren WMR-Headsets nur in besseren Ausstattungen wie der Samsung Odyssey inkludiert war. Der Einstellungsbereich liegt bei 60 bis 68 mm, was wiederum für Kritik sorgen könnte, da es noch grössere Augenabstände im Bereich von 70/71 mm gibt. Allerdings war das Bild bei einem solchen Probanden, respektive dem Autor, sehr scharf. Der Sweetspot bzw. der Bereich, in welchem ihr fokussiert, ist somit nicht gerade klein. Brillenträger mit einem maximal 14,5 cm breiten Gestell können sich übrigens freuen: Man findet nicht mehr so beengte Verhältnisse der ersten Windows-Mixed-Reality-Brillen vor. Kleiner Bonus: Ihr könnt die Brille wie bei einer Cosmos Elite und früheren WMR-Brillen nach oben klappen.

Das horizontale Field of View ist jedoch eingeschränkt. Wir messen mit Testtools nur 95 Grad. Je nach Mensch ist der Abstand zwischen den beiden Linsen respektive Display und Augen etwas unterschiedlich. Manche empfinden den «Tunnelblick» vielleicht als extremer, andere als geringer. Bei der allerersten HP-Brille für die virtuelle Realität empfanden wir den Taucherbrilleneffekt als störender. Bei der jüngsten Schöpfung liegt es aber auch am Polster, das links und rechts ein wenig das Sichtfeld einschränkt. Sehr auffällig ist der Unterschied bereits mit einer Valve Index (130 Grad), während eine Pimax 8K Plus mit ihren riesigen Linsen ein horizontales Sichtfeld von bis zu 170 Grad abdecken kann. Bei der Oculus Quest 1 und 2 und schätzen wir das Field of View, auch im Vergleich zur PSVR, in etwa ähnlich ein (95 bis 100 Grad).

Breites Sichtfeld vs. schmales Sichtfeld

Die G2 kann aber angesichts der Preisklasse sehr gut mit einer Cosmos Elite und Valve Index mithalten, falls euch ein breites Sichtfeld als Gelegenheitsspieler nicht so wichtig ist und ihr stattdessen eher ein sehr helles, scharfes Bild mit guten Farb- und Schwarzwerten bevorzugt. Ein sehr breites FOV ist eher der Premium-Klasse vorbehalten und mag bei jenen Spielern Sinn ergeben, die gerne Flugsimulationen oder Genres geniessen, bei denen die Adlerperspektive ein Vorteil sein kann.

Bei der HP Reverb G2 liegt die maximale Refreshrate bei 90 Hz. Bei der Valve Index lässt sich diese Bildwiederholrate über SteamVR auf 130 Hz anheben, was bei einzelnen Titeln wie Racing-Games gewisse Vorteile mit sich bringt. Auch hier gibt es Spieler, die behaupten, die schnelleren Bildwiederholraten wahrzunehmen, während andere davon weniger Wind bekommen. Auf jeden Fall laufen Spiele mit der Reverb G2 im Bereich einer RTX 2080 Ti konstant flüssig.

Extralanges Kabel

Schick: HP liefert die Brille in einem edlen schwarzen Karton. Mit sechs Metern ist auch das Signalkabel äusserst lang. Mit im Gepäck befinden sich ein Mini-DisplayPort-zu-DisplayPort-Adapter, die Windows Mixed Reality Motion Controller sowie ein USB-C-auf-USB-A-Adapter und ein Netzteil für das Mini-Link-Böxchen. Das Gesichtspolster lässt sich übrigens — wie bei der Valve Index — ganz einfach herausziehen. Achtung: Man kann unter Umständen beim Einrichten ein kleines Ringstück am hinteren Part des Headsets verlieren, das ihr aber unbedingt wieder an der Brille einklinken sollt, damit euch das lästige Signalkabel nicht um die Ohren schwirrt.

USB-Probleme bei AMD Motherboards

Am PC benötigt ihr zwingend einen USB-3.0-Port. Im Test haben wir zudem festgestellt, dass die USB-Controller einiger AMD-Ryzen-Motherboards Probleme bereiten können. HP USA begründet dies zwar einerseits mit der Länge des Kabels, sodass je nach Harmonie mit der PC-Hardware in manchen Fällen etwas mehr, manchmal etwas weniger Toleranz gewährt sei. HP wolle sich aber das Problem mit den X570-AMD-Chipsätzen näher anschauen, wie man uns auf Anfrage sagt. In unserem Test hat dann zufällig ein USB-C-Port einer ROG-RTX-2080-Ti-Grafikkarte von Asus funktioniert (danke Asus). Denn, man ja nicht immer zufällig eine USB-3.0-Erweiterungskarte rumliegen. Solltet ihr mit ähnlichen Problemen konfrontiert sein, probiert einfach verschiedene USB-Ports oder verwendet eine Erweiterungskarte.

Überarbeitete Controller für das Windows-10-Ökosystem

Hat dann einmal alles geklappt, landet ihr in der virtuellen Windows-Mixed-Reality-Stube von Microsoft. Die WMR-Brillen wurden schon in der Evolutionsphase der microsoftschen «Mixed Reality»-Wortschöpfung wegen des vergleichsweise geringen Trackingvermögens der frontseitigen Headset-Kameras kritisiert (Inside-Out-Tracking). Wir erinnern uns aber noch gut daran, dass bei den damals ersten Windows-Mixed-Reality-Brillen von Acer, Medion und HP & Co. die virtuellen Waffen in Shootern wie «Arizona Sunshine» doch öfters davonschwebten. Die erste Ära dieser Brillen für Windows 10 verfügte noch über zwei kleine Front-Kameras.

Besseres Tracking, aber noch nicht perfekt

HP hat seiner neuen VR-Brille seitlich je eine weitere Trackingkamera gesponsert. Und tatsächlich, das Tracking-Volumen ist nun wesentlich besser, wie man das «in etwa» von der Oculus Quest 2 kennt — aber es ist noch immer nicht ganz so gut, wie man sich das wünscht für ein Inside-Out-Tracking.

Tatsächlich können euch die Controller immer noch hie und da davonschweben. Besonders an den unteren Ecken, ausserhalb des Trackingsbereichs, also genau zwischen den seitlichen und unteren Linsen, schwirren euch die beiden Leucht-Degen immer noch davon, wenn sich diese nur wenige Zentimeter vor der Brille befinden. Nerven kann das etwa bei Taktik-Shootern, wenn viel Zielwasser gefragt ist. Insgesamt ist die Bewegungsverfolgung aber einiges besser geworden.

In unserem Test haben wir in vielen «Alltags-Spielen» keinerlei Einbussen bei der Bewegungsverfolgung bemerkt. Anders sehen mögen das Hardcore-Spieler, die nur das Beste wollen. Dann ist Lighthouse Tracking und somit ein anderes VR-System wie die Valve Index definitiv die bessere Wahl, um mit Pfeil und Bogen bewaffnet, eine sehr lange und grosse Spielwelt wie «Skyrim» mit äusserster Präzision zu erkundigen.

An die Stelle des Trackingpads rücken zwei Buttons. Diese bringen indirekt auch den Vorteil mit sich, dass ihr in Prinzip viele Oculus-Titel über ein Tool namens Revive quasi problemlos auf der WMR-Brille via SteamVR perfekt spielen könnt. Wie schon zu früheren Generationen nuckelt jedoch das Lichtracking der Controller nach wie vor sehr stark an den Batterien, sodass ihr besser vier Triple-A-Akkus zum Wiederaufladen verwendet. Auch mit den überarbeiteten Greifern reicht die Akkulaufzeit bestenfalls für 1-2 Abende à 3-4 Stunden. Nervig, dass man dann immer wieder alle paar Tage je zwei Batterien einlegen darf. Das erinnert an Sega-Game-Gear-Zeiten. Aber wenigstens reicht die Zeit gerade noch, um die nächsten vier Akkus in einem Ladegerät nachzutanken.

Für Desktop-PCs: Bluetooth 4.0 erforderlich

Das Setup ist mehr oder weniger der ersten Generation der Windows-Mixed-Reality-Brillen angelehnt. Dazu ist es laut HP wichtig, die allerletzten Windows-10-Funktionsupdates geladen zu haben. Die Installation erfolgt über die zungenbrecherisch klingende «Windows Mixed Reality Portal App» aus dem Windows-10-Software-Laden. Gut zu wissen: Ihr benötigt an einem stationären Desktop-Rechner einen Bluetooth-4.0-Adapter.

Nach wie vor lässt die HP Reverb G2 in der Schweiz aufgrund von Lieferschwierigkeiten auf sich warten. Es gibt jedoch gute Neuigkeiten: HP hat uns auf Anfrage bestätigt, dass Vorbesteller (wahrscheinlich vor allem die ersten Vorbesteller) ihr Headset in der Schweiz nun ab Mitte Dezember voraussichtlich erhalten sollten. Derweil vertröstet der HP-Konzern über seine Reseller die Vorbesteller mit einer Cashback-Aktion von 50 Franken. Das ist doch nett.

Fazit

Fazit
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Die HP Reverb G2 überzeugt mit den scharfen Displays und den guten Farbwerten. Das Erlebnis ist wirklich gut und gegenüber der Quest 2 oder der betagten Oculus Rift S eine interessante Alternative, wenn ihr ausreichend Grafikpower habt und nicht unbedingt 1'000 Franken für VR-Hardware ausgeben wollt. Als kleines Gimmick wurden die Controller überarbeitet, die nun mit vielen Oculus-Titeln harmonieren und dadurch eine grosse Auswahl an Software beider Plattformen (Oculus und SteamVR) zugänglich machen. Wenn euch kein hochpräzises Tracking wichtig ist und Platzmangel herrscht, um ein teures Lighthouse-Tracking einzurichten, ist die G2 zu einem Preis von unter 700 Franken definitiv eine prüfenswerte Alternative.
Die HP Reverb G2 überzeugt mit den scharfen Displays und den guten Farbwerten. Das Erlebnis ist wirklich gut und gegenüber der Quest 2 oder der betagten Oculus Rift S eine interessante Alternative, wenn ihr ausreichend Grafikpower habt und nicht unbedingt 1'000 Franken für VR-Hardware ausgeben wollt. Als kleines Gimmick wurden die Controller überarbeitet, die nun mit vielen Oculus-Titeln harmonieren und dadurch eine grosse Auswahl an Software beider Plattformen (Oculus und SteamVR) zugänglich machen. Wenn euch kein hochpräzises Tracking wichtig ist und Platzmangel herrscht, um ein teures Lighthouse-Tracking einzurichten, ist die G2 zu einem Preis von unter 700 Franken definitiv eine prüfenswerte Alternative.
87/100
Gesamtpunktzahl

PRO

  • Viele Pixel für VR-Einsteiger
  • Einfaches Setup
  • Farben, Schwarzwerte, Helligkeit, Kontrast
  • Guter Fokusbereich (Sweetspot)
  • Bestes VR-Audio-Headset

CONTRA

  • Enges Field of View
  • Immer noch nicht das beste WMR-Tracking
  • Batteriehungrige WMR-Controller (immer noch)
  • Kein Wireless-VR möglich
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