Gemütlich zuhause auf dem Sofa sitzen, dazu einen Tee schlürfen und gleichzeitig eine Messe für Luxusimmobilien oder Kunst besuchen? Das ist längst keine Zukunftsvision mehr. Virtuelle Messen erleben während der aktuellen Pandemiezeit gerade einen Boom.
Jüngstes Beispiel für eine Onlinemesse ist die «Home-E-Fair», eine virtuelle Immobilienmesse, die die beiden Makler Zurich Sotheby’s International Realty und Crowdhouse vom 22. bis am 26. Juli zusammen veranstalteten. Die Idee ist aus der Not geboren, weil die Immobilien-Messesaison dieses Jahr wegen der Coronapandemie ins Wasser gefallen ist.
Für die erste Durchführung der digitalen Messe erhofften sich die Veranstalter «eine Teilnehmerzahl im kleineren bis mittleren vierstelligen Bereich», wie Crowdhouse-Sprecher Michael Meier gegenüber der Nachrichtenagentur AWP sagt. Künftig soll sie «in grösserem Rahmen» durchgeführt werden.
Besuchermagnete im Netz
Die beiden Immobilienmakler sind bei weitem nicht die einzigen, die eine digitale Messe veranstalten. Die weltberühmte Kunstmesse Art Basel zum Beispiel lud die Besucher im Juni in die sogenannten «Online Viewing Rooms», virtuelle Ausstellungsräume. Und auch andere Messen von Weltformat, wie die Gamingmesse Gamescom oder die Frankfurter Buchmesse, aber auch kleinere Veranstaltungen wie die Karrieremesse Poly-E-Fair der ETH, setzen ganz oder teilweise auf digitale Kanäle.
Gemäss Marketingexperte Michael Betz von der Universität St. Gallen ist der Erfolg von Messen auch im digitalen Raum absolut denkbar. «Es zeigt sich, dass Kunden Onlinekanäle intensiv nutzen und sich immer mehr Informationen online holen und auch online einkaufen. Deshalb bin ich überzeugt, dass diese Entwicklung auch vor Messen und Ausstellungen nicht Halt machen wird», sagt er.
Die Art Basel verzeichnete bei der diesjährigen digitalen Ausführung mit rund 230’000 Besuchern weit mehr Kunstfans und Sammler, als letztes Jahr für die physische Durchführung der Messe nach Basel reisten. Ausgestellt waren rund 400 Kunstwerke im Wert von 500 bis 10 Millionen US-Dollar. Wie viel Kunst die Sammler allerdings online kauften, geben die Veranstalter nicht bekannt.
Verkäufe über Online-Messen dürften künftig anziehen
Verkaufen wollen zwar auch die Veranstalter der Home-E-Fair. Für Immobilien im Millionenbereich, wie sie die beiden Veranstalter der Onlinemesse vermitteln, bedürfe es erfahrungsgemäss aber etwas mehr als einen Messebesuch, damit es effektiv zu einem Abschluss komme, sagt Meier.
Experte Betz hält es allerdings durchaus für möglich, dass künftig Investitionsgüter wie die Luxusvilla an der Goldküste oder die Plastik von Jeff Koons an Onlinemessen den Besitzer wechseln. «Vor 20 Jahren war es auch noch undenkbar, dass jemand online so etwas teures wie ein Auto kauft. Heute fahren viele Autokäufer gemäss Studien nicht einmal mehr Probe, sondern holen das Auto nach der Online-Auswahl nur noch beim Händler ab.»
Kontakte knüpfen statt kaufen
In erster Linie geht es bei der Home-E-Fair, ähnlich wie bei klassischen Messen, aber nicht um den Verkauf. Wichtig ist vor allem der Austausch mit anderen Akteuren. Die Teilnehmer sollen sich mit Gleichgesinnten über aktuelle Trends und Herausforderungen im Immobilienmarkt austauschen können.
Verkauf ist gemäss Betz auch nicht das primäre Ziel jeder Messe. Vielfach gehe es zum Beispiel darum, potenzielle Kunden zu finden, was auch online problemlos geht.
«Online lügen die Zahlen nicht», so Betz, «Kunden mit ernsthaftem Interesse hinterlassen ihre Kontaktdaten». Dadurch werde die Spreu automatisch vom Weizen getrennt und die sogenannten «Beutelratten», die an der physischen Messe nur auf die Give-aways aus seien, würden automatisch wegfallen.
Längst überfälliger Paradigmenwechsel
Durch die Corona Krise sei in der Messelandschaft ein Paradigmenwechsel vorangetrieben worden, der längst überfällig war, sagt Betz. «Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass viele Messen, die dieses Jahr abgesagt wurden, in ihren früheren Form nie mehr stattfinden.»
Denn das Informations- und Kaufverhalten der Kunden sei heute ein anderes und die ersten «Digital Natives», die mit ganz neuen Technologien und Formaten aufgewachsen sind, würden jetzt langsam ins Berufsleben einsteigen. Formate wie klassische Messen mit einer riesigen, teuren Infrastruktur seien vor diesem Hintergrund «eigentlich nicht mehr zeitgemäss».
Quelle: Persönlich