Osteoclasts APP

ETH entwickelt Augmented Reality App für Zahnmediziner

Game Developer des ETH Game Technology Centers haben eine Augmented Reality App programmiert, die in der Zahnmedizin die Prozesse des Knochenumbaus spielerisch vermittelt.

Lehrbücher sind wegen ihrer Informationsdichte oft schwer zugänglich und wirken abschreckend. Die App AR Osteoclasts hingegen, macht das Lernen einfach. Die App, die Spielentwickler Jascha Grübel vom Game Technology Center der ETH in Zusammenarbeit mit Bernd Stadlinger, Klinikdirektor der Klinik für Oralchirurgie am Zentrum für Zahnmedizin in Zürich und Mitglied des ETH AI Centers, programmiert hat, bringt angehenden Zahnärztinnen und Zahnärzten die Prozesse des Knochenumbaus spielerisch näher.
Richten die Studierenden die Kamera ihres Tablets oder Smartphones auf ein bestimmtes Bild im Buch Kommunikation der Zellen, landen sie auf der Knochenoberfläche neben einem Blutgefäss. In diesem 600-​fach vergrösserten Mikrokosmos steuern die Spielenden biologische und biochemische Prozesse, die ansonsten automatisch ablaufen. Jedes der sechs Spiel-​Kapitel wird von einer Stimme eingeführt, die den Studierenden die Hintergründe des Knochenabbaus sowie die Rolle, die sie einnehmen, erläutert.

Vom Mindmap zum Spiel – mit Hilfe von Mathematik

Auch Hauptentwickler Grübel musste sich zuerst in die Thematik einarbeiten: «Ich habe Lehrfilme angeschaut und alle beteiligten Zellen, deren Aufgaben, Handlungen und Interaktionen in einem Mindmap zusammengefasst.» Weil die Prozesse im Körper automatisch ablaufen, musste er entscheiden, welche Elemente davon im Spiel vom Menschen übernommen werden. «Wenn der Spieler beispielsweise auf den Bildschirm tappt, sendet der Osteoklast Botenstoffe aus, um Stammzellen anzulocken, welche sich zu Osteoblasten entwickeln, die den Knochen wieder flicken», erklärt Grübel.
Manchmal erhalten die Spielenden auch symbolische Hilfen: In Kapitel drei steuern sie zwei Zapfhähne – einer für Salzsäure und einer für Enzyme –, wobei sie mit der richtigen Menge der zwei Substanzen den Knochen auflösen können. Solche Spielmechanismen programmiert Grübel auf Unity – einer Plattform, auf der man Spiele entwickelt. «Für ein Spiel muss sich auch im Computer die Zeit bewegen und den nächsten Schritt im Spielverlauf definieren», führt Grübel aus. «Unity gibt diesen Hintergrund schon vor, sowie zum Beispiel auch physikalische Gesetze, die im Spiel gelten sollen.» Denn letzten Endes seien alle Spielmechanismen mathematische Berechnungen, so Grübel.

Im Dreieck zwischen Spiel, Wissenschaft und Bildung

Die Balance zwischen Spiel, Wissenschaft und Bildung zu finden, beschreibt Fabio Zünd, Geschäftsführer des GTCs, als besondere Herausforderung: «Ein Spiel muss Spass machen und motivieren. Dazu müssen wir die biologischen Prozesse vereinfachen, ohne sie dabei zu verfälschen.» Dies verlangte einen intensiven Austausch der Spielentwickler mit den Zahnmedizinern, Forschern und Verlagsmitarbeitern. «Gewisse Spielzüge erinnerten die Forschenden an veraltete Wissensmodelle. Wir mussten daher gemeinsam herausfinden, wie wir das aktuelle Verständnis sinnvoll darstellen können», erklärt Grübel.
Eine weitere Herausforderung war es, sicherzustellen, dass die App auf möglichst vielen Geräten läuft: «Am GTC widmen wir uns normalerweise Forschungsprototypen – das heisst, sie laufen nur auf einem Gerät, aber können verrückte Dinge tun», sagt Zünd. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei AR Osteoclasts um ein Produkt in den Appstores, das möglichst viele Leute erreichen soll. Deshalb mussten die Entwickler die Technik in AR Osteoclasts limitieren, sodass die App auch auf älteren Geräten läuft. Digital Artist Violaine Fayolle rechnete das detaillierte 3D-​Modell des Knochens, auf dem sich der Spieler befindet, so herunter, dass die Geräte bei der Darstellung des Spiels nicht heisslaufen. Das 3D-​Modell stammt vom Medizinalfilmproduzenten interActive Systems, der sich neben dem Verlag an der App-​Entwicklung beteiligt hat.

Spielen oder doch lieber lesen?

Inwiefern die Studierenden dank der App motivierter sind oder gar besser lernen, wird derzeit in einer begleitenden Studie erhoben. Beide Informatiker sehen jedoch in Spielen grosses pädagogisches Potenzial. «Man kann mit Spielen viel vermitteln, doch es ist schwierig zu wissen, was man vermittelt. Da brauchen wir noch mehr Resultate aus den Lernwissenschaften», sagt Grübel.

Die App sei zwar nicht so spielerisch herausgekommen, wie sich Grübel das gewünscht hätte, doch im Hinblick auf die kurze Entwicklungszeit ist er mit dem Resultat zufrieden. Seine Spiellust darf der Entwickler aber doch noch ausleben: Gemeinsam mit Bernd Stadlinger,  geht das Projekt in eine zweite Runde. «Wir möchten das Spiel in Virtual Reality umsetzen, wo wir mehr Interaktionsmöglichkeiten haben und erforschen können, wie der Mensch mit dem Computer interagiert», sagt Zünd.

Die App AR Osteoclasts kann im Aple App Store sowie im Google Play Store kostenlos heruntergeladen werden. Sie läuft auf Tablets und Smartphones.
Quelle: inside-it / Youtube
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