Dank Virtual-Reality-Simulatoren von Virtamed können angehende Ärzte einfache Eingriffe üben. Für seine Exportstrategie wurde das Schlieremer Unternehmen nun vom Bund ausgezeichnet.
Wie eine Kreuzband-OP aus dem inneren eines Knies aussieht, kann man in Schlieren bei Virtamed hautnah mit VR erleben: Auf dem unteren Rand des Bildschirms erscheint ein chirurgisches Instrument, ein sogenannter Shaver, der auf ein knorpeliges Gebilde zusteuert und es langsam abträgt. Der Shaver schweift ab, bewegt sich vom Knorpel weg auf den Knochen zu. Er bohrt hinein, sodass eine rötliche Grube entsteht. Blutklumpen schweben um das Operationsbesteck.
Export Award abgeräumt
Im perfekt ausgeleuchteten Showroom an der Rütistrasse – nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt – soll das Knie Kunden, Besuchern und Interessierten zeigen, was das Unternehmen genau macht. Die Virtual-Reality-Chirurgiesimulatoren, die es ermöglichen, medizinische Eingriffe zu üben, sind ein Erfolg. Erst kürzlich erhielt Virtamed von Switzerland Global Enterprise (S-GE) den Export Award. Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) fördert S-GE den Export und das Investment in den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Dass angehende oder bereits ausgebildete Ärzte Routineeingriffe anhand der Virtual-Reality-Simulatoren üben können, ist ein Quantensprung in der Medizingeschichte. «Früher wurden Operationen an lebenden Patienten oder an Leichen geübt. Aufgrund von hohem Fehlerpotenzial und aus Pietätsgründen ist dies aber nicht mehr zeitgemäss», sagt der Marketingverantwortliche Phil Norris des Medtech-Unternehmens. Neben Ausbildungsspitälern und Trainingszentren gehören auch Medizinaltechnik-Hersteller zu den Kunden.
Das Haptische ist wichtig
Das Plastikmodell ist anatomisch gesehen korrekt. «Es ist wichtig, dass ein Operateur auch ein haptisches Erlebnis hat. Stösst er auf Knochen, muss er das fühlen, nicht nur sehen», sagt Norris. Auf dem Bildschirm lässt sich mitverfolgen, wohin der Stern verschoben wurde. «Die Anzahl Krankheitsbilder, die wir mit unserer Software anbieten können, wird laufend erweitert. Aktuell sind es 19, vor einem Jahr waren es noch 14», sagt Norris.Im Portfolio des Unternehmens befindet sich jedoch weitaus mehr als das Knie. Neben Hüft- und Fussgelenken entwickelte Virtamed auch Schultergelenke, an denen eine Vielzahl von Operationen geübt werden kann. Der Simulator für gynäkologische Eingriffe ist eines der neusten Produkte.
Am Modell zeigt Norris, wie eine Spirale eingesetzt wird. Bei diesem Eingriff wird auf eine Innenansicht auf dem Computerbildschirm verzichtet, da diese auch bei einer regulären Durchführung fehlen würde. Nachdem die Spirale platziert wurde, erhält Norris eine detaillierte Auswertung seiner Leistung. Nebst dem, dass das Programm sämtliche Schritte – streng nach Lehrbuch – kontrollierte, mass es auch Zeit und Präzision.
Vor ein paar Monaten brachte Virtamed seinen neusten Coup auf den Markt: der Simulator für gynäkologischen Eingriffe bei Schwangeren. Angehende Ärzte können damit neu das Erstellen von Ultraschallbildern oder den Embryotransfer bei künstlichen Befruchtungen üben.
ETH Spin-off im Wachstum
Als Spin-off der ETH wurde Virtamed 2007 von sechs Doktoranden gegründet. Die beiden heutigen CEOs Stefan Tuchschmid und Raimundo Sierra waren zwei von ihnen. Die erste Niederlassung fand das Unternehmen im Technopark im Stadtzürcher Kreis 5. Weil dort der Platz aber zu knapp wurde, folgte 2012 der Umzug an die Schlieremer Rütistrasse. Wir haben bereits über das Unternehmen vom VR Forum 2017 berichtet.
Mit den verschiedenen Ausprägungen der Produkte bezüglich Hard- und Software variieren auch die Preise. Das Modell des weiblichen Unterleibs kostet rund 50’000 Franken. Komplexere Gerätschaften, etwa jene für Eingriffe an Gelenken, können bis zu 100 000 Franken kosten.
Heute beschäftigt das Unternehmen rund 110 Angestellte, 100 davon arbeiten an der Rütistrasse, die restlichen sind auf der Welt verteilt. Obwohl Mitarbeiter aus rund 20 Nationen für das Unternehmen arbeiten, ist eine regionale Vernetzung ebenfalls von Bedeutung.
Quelle: limmattalerzeitung