Test: So fühlt sich Skyrim in VR an

Im Lande von Tamriel ist einiges im Gange. Parallel zur Veröffentlichung einer Nintendo-Switch-Adaption erscheint fast pünktlich zum sechsjährigen Jubiläum von «The Elder Scrolls V» am 17.11.2017 eine komplette VR-Umsetzung des epischen Rollenspiels von Bethesda. Dass man den Titel nun zuerst auf die leistungsschwächere PSVR bringt, hat wohl klar mit der Reichweite des Publikums zu tun. Denn Bethesda hat zusammen mit dem VR-Entwickler-Team Escalation Studios nach eigenen Angaben einen riesigen Aufwand betrieben, um Hunderte Spielstunden der Haupt-Kampagne inklusive aller Sidequests in der virtuellen Egoperspektive geniessbar zu machen. Wir hatten bereits vor dem Release die Gelegenheit, «Skyrim VR» ausgiebig zu testen. Und die Version für die Konsole ist nicht schlecht gelungen.

Ein Spiel für Nachholbedürftige?

Damals, als «Skyrim V» für PC rauskam, habe ich mir den Titel gleich geschnappt. Allerdings war es eher so ein Gefühl, als dürfe das Elder-Scrolls-Epos in keiner Spielsammlung fehlen, weil alle Kollegen davon sprachen. Aber hatte ich je die Musse, während 300 Stunden alle möglichen Quests zu absolvieren? Obwohl mir bei all den schönen nordischen Wäldern und den schummrigen Höhlen schon ein paar Mal die Kinnlade runtergefallen ist, fehlte mir 2011 schlichtweg das Sitzleder. Bei der Vorstellung, einmal sämtliche Dungeons und jene sagenhaften Landschaften in einer kompletten 3D-Immersion neu zu erleben, wurde mir aber schon vor einem Jahr gleich wieder warm ums Gamer-Herz. Wie mächtig es sich in der VR anfühlt, in die Rolle eines Magiers zu schlüpfen und Zaubersprüche aus den Händen zu donnern, wissen wir ja bereits von einigen VR-Experimenten wie «The Mage’s Tale» oder «Walth of The Wizard». Ihr seid schliesslich ein «Dovahkiin» (tamrielistisch für «Drachenblut») mit der halben Seele eines Drachen und vom Schicksal auserkoren, die ganze Zivilisation vor Alduin, dem Weltenfresser, zu retten.

Zahlreiche Komfortoptionen

Wenn man sich das erste Mal die PSVR überstülpt, wird einem gleich wieder bewusst, wie detailliert damals die Grafik war. Schon die erste Szene eignet sich perfekt als atmosphärische VR-Einladung. Es herrscht Bürgerkrieg in der Provinz Himmelsrand und ihr befindet euch auf dem Weg zur Hinrichtung. Bis ihr in der Festung Helgen dank der unerwarteten Bekanntschaft mit dem Drachen Alduin die Flucht ergreifen könnt. Schon anfangs Woche war an einer Bethesda-Twitch-Konferenz zu sehen, dass die Entwickler glücklicherweise nicht nur klassische Teleportation, sondern auch eine natürliche Fortbewegung integriert haben. Und die funktioniert sowohl mit der PS-Move-Steuerung als auch mit dem DualShock 4 Controller – unter dem Strich – ausgesprochen gut. Will man sich lieber ins Sofa fläzen, steuert sich das Spiel ähnlich wie «Resident Evil 7» oder «Robinson: The Journey» und man dreht sich mit dem linken Analogstick in angenehmen Viertelkreisabschnitten.

Schwierige Moves mit PS Move

Mit der PlayStation Move Hardware fällt die Umgewöhnung anfangs ein wenig schwer. Ich musste tatsächlich nach der ersten Stunde sogar einmal meine PSVR absetzen und die kleine Anleitung der Spieledisc hervorkramen, um die Steuerungsbelegung zu verstehen. Nun weiss ich auch endlich, dass das Gedrückthalten der beiden Triggerknöpfe des PS4-Zubehörs meist zur Navigation in den Menüs dient und man aufgrund der Einschränkungen des LED-Trackings die Stäbe in die gewünschte Richtung «zieht», wenn man man sich in den Optionen herumbewegt – ist ja auch im PS4-Dashboard so. Hat man sich das einmal verinnerlicht und das Favoritenmenü für die schnelle Waffenbelegung zunutze gemacht, geht die Steuerung mehr oder weniger flott von den Händen.

Gucken, wohin man geht

Gut gelöst ist die 180-Grad-bedingte Richtungsänderung, weil die PS4-Kamera nur den vorderen Bereich erfasst. Hier bewegt man sich mit den beiden unteren Buttons des rechten Move-Stabs in Viertelkreisen nach links und nach rechts. Gegen das bekannte Desorientierungsproblem, das in hitzigen Gefechten auftreten kann, haben die Entwickler eine kleine Hilfe eingebaut: Damit man sich erst gar nicht die Füsse mit Tapezierband auf den Stubenboden kleben muss, guckt man einfach immer wieder auf den transparenten Kompass, der nur eingeblendet wird, wenn man geradeaus blickt.

Nutzt ihr die Move Controller ohne Teleportation, bewegt ihr euch in die Blickrichtung, indem ihr den linken Move-Button gedrückt hält. Das hat aber seine Tücken, wenn ihr gleichzeitig den Gegnern ausweichen müsst, während ihr mit einer Waffe zielt. Auf den einfacheren Schwierigkeitsgraden geht das gerade noch so. Unnatürlich und nervig ist dabei vor allem das Zielen mit den Pfeilbögen. Das Erlegen von Feinden will hier wirklich geübt sein – oder gar nicht. Trotz dunkler Umgebung und genauer Positionierung innerhalb des Sichtspektrums der PS4-Kamera bleibt hier mein Interesse am Bogensport bestenfalls bei meinem ersten Schnuppertag im Bogenclub von Berikon-Widen. Das ist etwas, das mit dem präzisen Laser-Tracking der teuren HTC Vive definitv besser machbar wäre.

Gut: die Steuerung mit dem DualShock Controller

Die natürliche Fortbewegung anstelle des Herum-Beamens mittels Anvisieren der Bodenpunkte vertragen übrigens nicht alle Spieler wie ich so gut. Darum hat man wohl daran gedacht, das Sichtfeld (FOV) mit einer runden Schattenkontur zu «tunnelisieren», damit der Blick beim Voranschreiten fokussiert bleibt, was sich auf Wunsch auch abschalten oder feiner justieren lässt. Das alles fühlt sich mit dem PS4 DualShock Controller für mich wesentlich natürlicher an: Ich gelange blitzschnell und zielgerichtet durch die Ausrüstungsmenüs, kann mich in Windeseile mit Schild und Schwert bewaffnen und immer noch ausweichen, wenn ich per Knopfdruck vor einem Gegner weghüpfe, indem ich gleichzeitig den linken Analogstick in die Fluchtzone bewege.

Zoombare Missionskarte

Dass sich die Entwickler Mühe gegeben haben und nicht nur einfach das sechsjährige Spiel in die VR gepappt haben, fällt spätestens beim Feinschliff der Unteroptionen auf. Besonders gefällt mir persönlich der neue sphärische Kartenbildschirm: Statt auf eine flache Scheibe zu schauen, kann man nun in bester Google-Earth-VR-Manier von oben in die Locations hineinzoomen, was dem in die Jahre gekommenen Titel eine völlig neue Dimension beschert. Denn die Welt von Skyrim hat ja bekanntlich eine ganze Menge schöner Landschaften zu bieten, und die Entwickler wollen wirklich, dass ihr den ganzen Aufwand seht.

Akzeptable PSVR-Grafik

Stichwort Grafik: Zwar lief Skyrim schon vor mehreren Jahren mit besseren Mittelklasse-Grafikkarten ab 300 Franken selbst in der 4K-Auflösung flüssig. Ob das nun in VR auch ganz ohne Klötzchengrafik bei weit entfernten Objekten auf einer Konsolen-Hardware geht, daran liessen mich schon erste Launch-Titel der PSVR zweifeln. Ich habe «Skyrim VR» auf einer PS4 Pro gespielt und kann bestätigen, dass ein leichtes Kantenflimmern auch aus der Nähe zwar nicht omnipräsent ist, aber sich doch manchmal bei Gebäuden und Wänden ein wenig bemerkbar macht; allerdings habe ich mich nie daran extrem gestört. Ein nicht unerheblicher Vorteil für das riesengrosse RPG sind dagegen Sonys RGB-Matrix-Displays, die zwar etwas langsamer schalten als die PC-Konkurrenz, aber Schriften aus meiner Sicht viel klarer lesbar machen.

Déjà-vu mit alten Bugs?

Mehr gestört haben kleinere Grafik-Bugs, die ich so zumindest nicht von der Special Edition kenne. Da blickt man einmal zu einem Weggefährten am Fluss und sein Hund schwebt über der Figur, während sich Häuser etwas weiter entfernten Dörfern plötzlich ruckartig aufbauen. Warum man so etwas nach all den Jahren nicht nachbessern kann, bleibt für mich schleierhaft. Glücklicherweise halten sich diese Bugs aber im Rahmen. Möglich ist auch, dass einzelne Figuren aus der Open-World-Landschaft getilgt wurden, damit noch etwas mehr Rechenpower übrig bleibt, da einige Gegenden auf mich leicht karger wirken als in der Originalversion. Grosso modo erinnert mich die PSVR-Neuauflage eher an die PS3- bzw. Xbox-360-Version, doch das ist okay, solange wir nicht so viel Pixelmüesli aus allen Richtungen haben. Es war offenbar ein erklärtes Ziel der Entwickler, die Framerate auf 60 Bildern pro Sekunde zu halten, und das ist gut so.

Kleinere Probleme gibt es manchmal trotzdem in der VR-Ansicht, wenn zum Beispiel eine Spielfigur plötzlich im Menü steht.

Der 3D-Sound scheint mit meinen 450 Franken teuren iSINE-In-Ear-Ohrstöpseln, die ich gerade testhalber in Betrieb habe, räumlich präzise zu meinen Ohren zu gelangen. Ich erinnere mich an etliche Bugs bei der 5.1-Ausgabe der PC-Version. Da näherte man sich den sprechenden Personen und auf einmal waren die Stimmen viel zu leise. Das lag wohl damals auch an Treiberproblemen. Sowohl in Deutsch als auch in Englisch sind diese Störeffekte zum Glück nicht mehr präsent und die Voreinstellungen bedurften keiner Fein-Tunings. So geniesst man natürlich gerne die aufwendig inszensierte Soundkulisse des ganzen Spiels noch einmal.

Skyrim erhielt 2011 zahlreiche Auszeichnen als eines der besten Rollenspiele (MMO) aller Zeiten. Euch erwarten – mit allen Erweiterungen – in Prinzip über 300 Spielstunden oder ein endloses Gameplay. Die Main Quest besteht darin, die Ursache für das Erwachen des Drachens zu finden, wobei es unendlich viele Nebenaufgaben gibt, denn Bethesda hat ein einzigartiges «Radial Quest»-System eingebaut, das fortlaufend neue Neben-Storys generiert. Besonders cool: Dabei landet man auch immer wieder an Orten, die man auf der Karte noch nicht entdeckt hat.

 

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