Je nach VR-Headset haben Brillenträger in der virtuellen Realität gleich mehrere Probleme: Entweder drückt es irgendwo oder man schwitzt sogar noch mehr unter der Cyberbrille. Im schlimmsten Fall malträtiert ein wuchtigeres Headset wie die HTC Vive auf die Dauer die seitliche Sprungfeder der Korrekturbrille, wie es mir passiert ist: Auf einmal, oh Schreck, lag meine Brille mit abgebrochenem Bügel auf dem Boden, als ich die Vive, behutsam wie immer, nach einem kurzen VR-Ausflug von meinem Kopf absetzte. Dasselbe hätte mir womöglich auf die Dauer auch mit der engeren Oculus Rift passieren können. Damit sowas nie wieder vorkommt, musste dringend eine Lösung her. Leider habe ich das Problem, dass ich stark kurzsichtig bin und mich auch in der echten Welt ohne Sehhilfe kaum zurechtfinde. Für kurzsichtige VR-Abenteurer gibt es im Moment eigentlich nur zwei Hilfsmittel:
Kontaktlinsen oder Korrekturgläser mit Halterungsadaptern für die VR-Displays. Ein Anbieter solcher Linseneinsätze ist das Stuttgarter Start-up VR Lens Lab. Auf deren Webseite vr-lens-lab.com kann man sogar dünne Brillen bestellen, die mit einem Band um den Kopf getragen werden. Diese könnte man sich beispielsweise zulegen, wenn man gleich mehrere VR-Headsets besitzt und auch zwischendurch einmal mit der Gear VR abtaucht.
Das Mass aller Dinge
Was man bei VR Lens Lab für die speziellen Linsen mit den Halterungsadaptern unbedingt braucht, sind die aktuellen Korrekturangaben für die Kurz- oder Weitsichtigkeit. Eingeben muss beim Bestellformular nicht nur für jedes Auge den erforderlichen Sphärenwert (Dioptrien), sondern auch den Achsen- und den Zylinderwert. Mir konnte die Optikerin sofort erklären, was ich bei jedem Feld eingeben muss, aber die Werte stehen auch im Brillenpass. Der Zylinderwert korrigiert den unebenen Teil der Hornhautverkrümmung. Die Achsenangabe besagt, in welche Richtung die Verkrümmung ausgeglichen wird. Hier sollte man sehr genau darauf achten, dass alle Angaben stimmen und kein falsches Minus- oder Pluszeichen gesetzt ist. Bei der Linsenqualität habe ich mir für einen Aufpreis von 20 Euro gleich die neuen RABS-Premium- Linsen bestellt.
Premiumbewusstsein
Zwar waren VR Labs zufolge viele Anwender mit den Standardlinsen zufrieden. Bei den einen oder anderen Anwendern führten die leicht gebogenen Gläser wohl trotzdem zu länger anhaltenden Verzerrungserscheinungen. Die Wölbung der Gläser soll eigentlich Kratzer an den darunterliegenden VR-Displays verhindern. Ich kann selber nur von den überarbeiteten RABS-Premium- Gläsern sprechen, die ich mir bestellt habe. Zusätzlich gebucht habe ich gleich die Blueguard-Coating- Option (den Blaulichtfilter) für 29 Euro, um bei längeren VR-Sessions meine Augen zusätzlich vor den grellen Display-Lichtspektren zu schonen. Ganz günstig kam mich dann die ganze Bestellung doch nicht. Inklusive Shipping Flatrate und PayPal-Gebühren zahlte ich insgesamt etwa 170 Euro für beiden Speziallinsen mit den beiden Vive-Adaptern. Für Oculus Rift sind übrigens andere Gläser erforderlich und ebenfalls die dazugehörigen Adapterhalterungen. Wie das Tracking der Sendung zeigte, werden die speziellen Linsen offenbar irgendwo in einer Fabrik in Thailand gefertigt. Es dauerte aber relativ schnell, bis ich die Bestellung erhielt. Nach weniger als zehn Tagen lag ein handgrosses Päckchen im Briefkasten.
Besonders schick: Mitgeliefert wird sogar ein kleines, rundes Kunststoff-Etui. Darin enthalten sind die beiden Korrekturlinsen von VR Lens Lab, die bereits in die beiden Adaptergestelle eingepasst wurden. Zusätzlich gibt es als kleines Extra ein Microfaser-Putztüchlein.
Die richtige Reinigung
Das Einklappen in der Vive-Brille erforderte zunächst ein bisschen Fingerspitzengefühl. Bevor man das Zubehör auf beiden Seiten einsetzt, empfiehlt es sich, die Bildschirme des Head Mounted Displays noch einmal gründlich und sanft zu reinigen, damit auch wirklich kein Staubkörnchen dazwischen hängen bleibt. Randnotiz: Ich reinige meine VR-Brille(n) aus Prinzip nicht zu oft, um keine unnötigen Kratzer zu verursachen. Wenn es dann doch einmal ein muss, nehme ich bei wenig Staub meistens einen DSLR-Druckpinsel zur Hand. Bei einer intensiven Reinigung verwende ich ein Mikrofaser-Tuch, ein paar Tupfer Fotolinsen-Flüssigkeit und reibe nur sanft an den VR-Displays. Zunächst hatte ich ein wenig Angst davor, die VR-Linsen an den Rändern leicht zu beschädigen. Die Halterungen sind genauso konzipiert, dass sie, einmal eingelegt, an den Rändern der VR-Bildschirme festsitzen. Am besten gehts, indem man die eine Seite von unten über die Originallinsen der VR-Brille legt und diese dann vorsichtig über den oberen Rand «zieht». Eigentlich hat das Ganze auch einen netten Nebeneffekt: Die empfindlichen VR-Displays sind dadurch zusätzlich vor Kratzern geschützt.
VR ohne Ecken und Kanten
In der virtuellen Welt habe ich mich dann schnell an die Sehkorrektur von VR-Labs gewöhnt. Fast alles stimmte auf Anhieb. Keine irritierende Reflektionen und Unschärfen im radialen Fokus. Das seitliche Blickfeld war auch nicht verzerrt. Trotzdem musste ich mich zuerst leicht umgewöhnen. So hatte ich ganz am Anfang bei geraden Vektorlinien im plastischen Spielmenü von «Space Pirate Trainer» auf einmal den Eindruck, als seien die Striche leicht nach aussen gewölbt. Beim Komfort gibt es keinerlei Einbussen. Zwar ist bei mir der Display-Abstand der beiden Vive-Screens auf sehr kurze Augendistanz eingestellt, aber es fühlte sich nicht an, als würden die zusätzlichen Gläser mehr Platz in der HTC-Brille beanspruchen.
Fazit
Die RABS-Premium- Korrekturlinsen von VR Lens Lab sind für stark kurzsichtige Menschen eine lohnenswerte Investition. Es ist fast schon befreiend, für einmal nur mit einer Brille in die virtuelle Welt abzutauchen. Wahrscheinlich lohnen sich die Aufsätze eher für die Oculus Rift, zumal man bei der HTC Vive je nach Kopf und Brille noch gut hineinpasst. Bei der PSVR bräuchte ich keine solche Lösung, da das HMD nach vorne verschiebbar ist und der Helm nirgends drückt. Ein Bonus: Die aufliegenden Gläser sind leicht zu reinigen und schützen die heiklen VR-Displays vor Kratzern.