Theseus für PlayStation VR im Test

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Entrinnet dem furchteinflössenden Minotauros! Theseus, unser Held aus der griechischen Mythologie, kämpft im gleichnamigen Action-Horror-Abenteuer ein wenig wie Kratos aus «God of War». Das VR-Feeling? Mal ist es die Third-Person-Ansicht aus «Edge of Nowhere», mal die fixe Ebenen-Perspektive aus «Chronos» – aber überall gelingt das nicht. Muss es das auch?

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Die Entwickler von «Forge Reply» haben mit «Theseus» für rund 20 Franken ein kleines Action-Adventure in den PlayStation Store gebracht. Langjährige «God of War»-Fans, geschichtskundige Altgriechen-Anhänger oder VR-Horror-Liebhaber, die den gewissen Nervenkitzel suchen, kribbelt es beim Trailer natürlich schnell in den Fingern. Gekauft, heruntergeladen. Aber durchgespielt war es dann auch recht schnell.

Prolog

Das Wesen mit menschlichem Körper und Stierkopf kennt man aus der griechischen Mythologie. Der griechischen Sage nach sandte der allmächtige Wassergott Poseidon dem König Minos, direkt nach Kreta, einen Stier – als Zeichen für seine gerechte Herrschaft. Da dieser aber nicht, wie versprochen, geopfert wurde, verliebte sich seine Gemahlin aus irgendeinem Grund in den Stier und gebar den bösartigen Minotauros. Seit Minos das menschliche Vieh in dem riesigen Labyrinth von Baumeister Dädalus weggesperrt hat, müssen  pro Jahr mindestens sieben Jünglinge und Jungfrauen da rein, um geopfert zu werden. Seither kam ja niemand mehr raus. Zum Glück ist da unser Held Theseus, der so viel Leid nicht mehr ertragen konnte und sich gleich frohen Mutes auf zu diesem sagenumwobenen Labyrinth macht, um das Mischwesen zu bändigen.

Aber das alles ist auch nicht so wichtig – ihr müsst die Vorgeschichte aus der Mythologie nicht kennen. Eine Art Lichtgöttin als ständige Begleiterin hat da auch noch was mitzureden und erzählt euch in lieblicher Zelda-Feen-Manier, was geschehen ist und was ihr als Nächstes tun müsst. (Übrigens ist der untertitelte Monolog nicht komplett in Altgriechisch. Es sei lediglich «nahe an Griechisch», wie mir die Entwickler aus Milano sagten. Wäre wohl auch zu aufwendig.)

«God of War» trifft «Edge of Nowhere» und «Chronos»

Wie soll man «Theseus» beschreiben? Das Spiel fällt definitiv in die etwas schwammige Kategorie «Action-Adventure». Ihr spielt aus der Dritten-Person-Perspektive, also die Kamera folgt euch meist von hinten, aber nicht immer. Nämlich meistens dann nicht, wenn ihr einen komplexen Raum betretet oder der mächtige Labyrinth-Herrscher «Minotauros» sein Anwesen markiert. Dann wechselt es oftmals in eine fixe Ansicht wie in «Lucky’s Tale» oder «Chronos», damit wir den einen oder anderen Blickwinkel wie ein Puppentheater direkt vor uns haben. Manchmal folgt euch die Kamera auch ziemlich dicht auf, wenn sich der Protagonist in der antiken Kriegsbekleidung an etwas erinnert oder das geblendete Labyrinth-Monster wild in der Gegend rumfuchtelt.

Brauchen wir immer die volle Immersion?

Allerdings gelingt dadurch das Mitten-Drin-Erlebnis in der VR nicht immer ganz. Ich verstehe nun nach dem Durchspielen des Titels auch, warum. So wie ich den Spielverlauf deute, wollte man genau das: Die Betonung auf VR ist szenenbasiert, weil einzelne Spielebenen zuerst überschaut werden müssen, damit man sieht, zu welchem Schalter oder Tor die Reise geht, bevor uns das grosse Vieh urplötzlich aus dem Hinterhalt zerhämmert. Manchmal folgt die Kamera auch dicht von hinten, wenn die Spannung steigen soll. Steife Nackenhaare sind vor allem dann garantiert, wenn euch der riesengrosse (übrigens genial designte) Minotauros anstarrt oder sehr nahe kommt. Dieser mögliche Ansatz ist aber dennoch nicht im ganzen Spiel nachvollziehbar. So beschreitet man beispielsweise auch einmal eine Grotte unterhalb des schnaubenden Haustiers der Kreten: Dort haben wir die Kamera aus unerklärlichen Gründen wieder sehr nahe an unserer Rückseite. Läuft man mal in die falsche Richtung, sieht das dann auch ein wenig komisch aus, wenn wir uns auf einmal wieder selber anstarren.

Ich glaube die Immersion wäre doch besser gelungen, hätte man alles nur konsequent in der Third-Perspektive gelöst, denn so viele Puzzles oder versteckte Schalter gibt es nicht zu erkunden. Um von einem Raum zum nächsten zu gelangen, legt ihr meist einen Schalter um, damit die Göttin mit ihren Lichtstrahlen euren Widersacher blenden kann. Dieses Ohne-VR-Gefühl kommt manchmal auch auf, wenn man die lästigen Oktopusse als immerwährende Gegnerschar in etwas langatmigen Kämpfen mit dem Schwert zersticht oder mit der Fackel blendet. Das Kampfsystem besteht eigentlich nur aus dem Schwerthieb, der Hechtrolle und schnellem Laufen. Dabei harzt die Kollisionsabfrage leider ein wenig. Sogenannte «Quick Time Events» (QTEs) hätte es zu allem Übel nicht gebraucht. Als eingeklemmter Warlord kann ein Befreiungsakt durch langes Antippen gar regelrecht zu Daumenkrämpfen fühlen. Ebenfalls ein wenig langatmig: Im Spielverlauf müsst ihr euch auch oft an verschiedenen Talwänden heraufziehen, wie man das so aus anderen Games wie «Uncharted» oder Rise of «The Tomb Raider» kennt! Das ganze Spiel ist eher linear aufgebaut. Meist müssen nur zeitkritische Events richtig getimed werden. Ausserdem stehen keine längeren Irrgarten-Wanderungen an der Tagesordnung.

Ein paar gute Ideen – mit Potenzial

Die Entwickler hatten bei «Theseus» ein paar sehr gute Ideen. Nicht ganz zu Ende gedacht sind aus meiner Sicht die Kameraführung und das Kampfsystem. Ich hätte es geliebt, wenn man  wie bei «Edge of Nowhere» dem Helden von hinten folgt, während die VR-Ansicht die eigentliche Kamera ist. Ansonsten hätten die Puzzle-Elemente ein wenig vielseitiger ausfallen dürfen. Beim Drücken der Kampf-Buttons hätte ich ein wenig schnellere Aktionen oder vielleicht sogar ein paar Kombos erwartet. Es soll ja auch ein bisschen süchtig machen, zerplatzende Oktopusse schneller zu zerstückeln. Dafür hat man ca. einen Finisher eingebaut, bei dem man die Krabbeltierchen gleichzeitig flambieren kann. Mehr davon.

Beim Sound, der Grafik und der gesprochenen Geschichte ist man zunächst sehr überwältigt. Dieser Eindruck verblasst aber spätestens nach ca. einer halben Stunde ein bisschen. Trotzdem will man gleich weiterspielen – so viel kann eben eine gute Grafik- und Soundkulisse ausmachen! Schuld an etwas Langeweile sind ein paar repetitive Einlagen wie das Erklimmen von Mauern und die gähnend langen Kämpfe. Das alles zieht sich aber zum Glück nicht allzu sehr in die Länge. Besonders beim Klettern hat man nicht hie und da das Gefühl, als ginge das auch ohne VR. Wie eingangs erwähnt, ist das Spiel sehr kurz. Ich glaube, ich habe es in unter vier Stunden durchgespielt. Aber hey, es kostet nur rund 20 Franken. Da habe ich von der Gesamtqualität her schon wesentlich schlechtere VR-Titel gespielt.

Gameplay Screenshots (PS4 Pro):

Theseus erscheint zu einem späteren Zeitpunkt noch für die PC-Headsets (HTC Vive und Oculus Rift). 

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