Chromagun im Test: Militär-Farbindustrie auf «Portal»-Prüfstand

Mit «Portal», einem Mix aus Shooter, Puzzle-Spiel und einer gesunden Portion schwarzem Humor, erschuf Valve 2007 einen echten Überraschungs-Hit. «Chromagun VR» vom deutschen Entwickler Pixel Maniacs schlägt in eine ganz ähnliche Kerbe, nutzt allerdings eine etwas andere Spielmechanik. Ob die Spass macht und was der Titel sonst noch zu bieten hat, verrät unser Test.

Der knapp fünf bis sieben Stunden andauernde Puzzle-Marathon beginnt im Hauptmenü des Spiels, das gleichzeitig wie eine Art Raum gestaltet ist. Hier können wir uns nicht nur frei umsehen und herumlaufen, sondern auch mit dem Optionsmenü interagieren. Während wir all dies tun, fällt immer wieder ein farbiger Ball von der Decke, der eine Druckplatte im Boden aktiviert und dadurch eine sonst verschlossene Tür im Raum öffnet. Ziemlich mysteriös. Und Grund genug, sich den Raum hinter der Tür mal genauer anzusehen.

Wie sich schon bald herausstellt, handelt es sich hierbei um einen Fahrstuhl, der uns sogleich in die Tiefe befördert und in der Lobby einer Firma namens Chromatec wieder ausspuckt. Warum die dort sitzende Empfangsdame nicht mal ein «Guten Tag» über die Lippen bringt, werden wir wohl nie erfahren. Fest steht nur: Die männliche Stimme im Hintergrund ist deutlich aufgeschlossener, heisst uns sofort herzlich in den Testlaboren von Chromatec willkommen und gibt uns zu verstehen, dass wir der Beste der Besten wären. Dicht gefolgt von der Aufforderung, den Ausgang des Raums zu finden.

Klingt alles verdächtig nach einem perfiden Experiment? In der Tat! Nur eben, dass man hier nicht mit einer Portalkanone hantiert, die zwei miteinander verbundene Dimensionstore erzeugt, sondern mit der namensgebenden Chromagun. Gemeint ist eine futuristische Farbkanone, die es uns gestattet, sowohl bestimmte Wände der Spielwelt als auch die immer wieder auftauchenden Schwebedrohnen umzufärben. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Drohnen fühlen sich von gleichfarbigen Wänden angezogen.

Alles eine Frage der Anzeige

Gleich im ersten Level zum Beispiel schwebt eine gelbe Drohne vor einer Tür und macht diese dadurch unpassierbar. Sobald wir nun aber die Wand neben der Drohne mit der Chromagun gelb einfärben, gleitet die gelbe Drohne entspannt in Richtung der gelben Wand und stellt kein Hindernis mehr dar. Die Tür ist frei und wir können hindurch. Zugegeben, anfängliche Rätsel wie diese sind schnell abgehakt.

Im Verlauf des Abenteuers steigert sich der Schwierigkeitsgrad jedoch spürbar. Hauptgrund hierfür ist die Tatsache, dass wir schon bald eine modifizierte Chromagun finden, die nebst gelber auch rote und blaue Farbe verschiesst. Hinzu kommt: Eben diese drei Farben können einmalig miteinander kombiniert werden. Feuern wir also rote Farbe auf eine blaue Wand, wird diese Lila. Rot und Gelb werden zu Orange und Gelb und Blau verschmelzen zu Grün. Klassische Farbenlehre also.

Aber: Beschiessen wir eine lilane, orange oder grüne Wand erneut, färbt sich diese schwarz ein und verliert ihre Anziehungskraft auf Drohnen. Gleiches gilt umgekehrt. Sind Drohnen durch zu häufiges Umfärben erst einmal schwarz, werden sie auch von einer schwarzen Wand nicht mehr angezogen. Rückgängig machen lässt sich ein solches Malheur übrigens nur durch einen Neustart des Levels – was Gott sei Dank beliebig häufig erlaubt ist und keine negative Konsequenzen nach sich zieht.

Hauptsache bunt

Nebst der modifizierten Chromagun sorgen aber auch andere Elemente für kontinuierliche Abwechslung. Die zu Spielbeginn noch friedlichen Drohnen (hier «WorkerDroids» genannt) rücken euch beispielsweise schon bald in einer überaus aggressiven Stachelversion auf die Pelle. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass ihr sie einmal mit einem Gegentreffer in Rage versetzt. Ist dies geschehen, verfolgen sie euch im wahrsten Sinne solange durchs Level, bis ihr den Ausgang findet oder sie auf eine elektrisierte Bodenplatte lockt, was die Drohne in der Regel neutralisiert.

Aber auch farbresistente Wandlackierungen, Projektile abfangende Energiebarrieren und miteinander kombinierte Druckschalter-Systeme halten euer Oberstübchen auf Trab und sorgen für immer neue Rätselkombinationen. Nicht zu vergessen die Dunkelheit. Richtig gelesen. Streckenweise knipst Chromatec das Licht aus, wodurch die Farben innerhalb der Testkammern nur noch schwierig auszumachen sind. Es sei denn, ihr schaltet die Taschenlampe ein und leuchtet immer die Objekte an, mit denen ihr als nächstes interagieren wollt.

Zusätzlichen Charme erhalten die Testkammern durch die sarkastischen, immer wieder eingestreuten Kommentare der mysteriösen Stimme. Recht früh im Spiel gibt euch diese beispielsweise unmissverständlich zu verstehen, dass ihr in den Räumen der Anlage verhungern werdet, wenn ihr den Ausgang nicht findet. Oder aber, dass ihr die stacheligen «WorkerDroids» nicht mit Kung Fu besiegen könnt (was die Spielfigur ohnehin nicht beherrscht).

Kleine, aber störende Macken

Frei von Fehlern ist das unterhaltsame Spielprinzip dennoch nicht. Wechselt ihr beispielsweise in den Modus, der ein freies Drehen des Blickwinkels ermöglicht, lässt die ansonsten tadellose Performance spürbar nach. Ruckler sind die Folge und die wiederum können bei dem ein oder anderen VR-Spieler zu Übelkeit und Unwohlsein führen. Gamer mit empfindlichem Magen belassen es also besser bei der stufenweisen Rotation.

Ein zweischneidiges Schwert ist darüber hinaus die Grafik. Einerseits begeistert der minimalistische Stil. Anderseits jedoch sehen die meisten Level – mal abgesehen von der Anordnung der Räume und Rätselelemente – viel zu gleichförmig aus. Markante Höhenunterschied innerhalb des Leveldesigns fehlen ebenfalls. Wer vorher «Portal» oder «Portal 2» gespielt hat, dem wird dies umso mehr auffallen. Bliebe noch die Musik. Sie ist eigentlich klasse, wiederholt sich jedoch so häufig, dass man sie spätestens nach zwei bis drei Stunden herunter regelt.

Die erzählerische Brillanz eines «Portal» sollte hier aber niemand erwarten. Punktabzug gibts derweil für die im Text skizzierten Performance-Einbussen bei Freiem Drehen sowie den gestrichenen Level-Editor. Letztgenannter ist weiterhin nur der PC-Fassung vorbehalten, hätte sich mit dem nötigen Feinschliff aber auch auf Konsole prima eingefügt. Wie mans besser macht, zeigt unter anderem «Squishies» für PSVR. Trotzdem: Klammert man diese Macken und die etwas abwechslungsarme Präsentation mal aus, bleibt ein überaus charmantes Knobelspiel, dem Genre-Liebhaber unbedingt eine Chance geben.


Abschliessend noch zwei wichtige Hinweise:

  1.  Spielt das Ganze für optimale Immersion am besten mit dem PSVR Aim Controller. Denn hiermit habt ihr tatsächlich das Gefühl, die Chromagun in den Händen zu halten.
  2. Wer vor dem Kauf erst einmal probespielen möchte, um nicht die Katze im Sack zu kaufen, surft kurz bei Steam vorbei und zieht sich die Gratisdemo für PC, Mac oder Linux.

 

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